Kirche aktuell

Bei der Züri-Pride Jesus hätte mitgetanzt

Mitarbeiterin Kommunikation
Magdalena Thiele
Magdalena Thiele
Züri-Pride! Ganz Zürich tanzt und freut sich an Gottes wunderbarer Schöpfung. Ganz Zürich? Nein, die katholische Kirche wurde einmal mehr schmerzlich vermisst.
18. Juni 2023

Menschen feiern bei bestem Sommerwetter auf Zürichs Strassen. «I was born this way» schallt es von einem der Transporter, deren Lade- zur Tanzfläche umfunktioniert wurde. Beim Refrain ist schwer zu sagen, wer lauter ist, die Konserve oder der Gesang der euphorischen Menge.

«I`m beautiful in my way. ‘Cause God makes no mistakes. I`m on the right track, baby. I was born this way.»

(Ich bin schön auf meine Art. Denn Gott macht keine Fehler. Ich bin auf dem richtigen Weg, Baby. So wurde ich geboren) Was die amerikanische Künstlerin Lady Gaga hier vertont hat, berührt mich heute beim grossen Strassenumzug zur Züri-Pride ganz besonders.

Gott macht keine Fehler – Wie recht sie hat, denke ich. Und wie schön, dass heute Menschen, die sich oft von der Kirche allein gelassen fühlen, das gemeinsam singen.

Apropos alleingelassen. Wo ist eigentlich die katholische Kirche heute? Beim Durchqueren der Stauffacherstrasse winkten uns vier Damen vom Balkon des Kirchgemeindehauses der reformierten Kirche fröhlich zu.

Ein weiterer kleiner Wagen fällt mir auf. Auf dem Banner steht «So bunt wie Deine Kirche». Er wird von Vertretern der evangelisch-methodistischen Kirche beharrlich über den aufgeheizten Asphalt gezogen.

Jetzt fehlt nur noch die katholische Kirche. Ich habe den gesamten Festzug – vom Ende, das ich um 15 Uhr noch am Helvetiaplatz angetroffen habe, bis zu den ersten Wagen, die das Festgelände Kasernenstrasse erreicht haben, abgelaufen. Meine Kirche habe ich nicht gefunden bei der Pride: keinen einzigen weissen Priesterkragen.

Ich vermisse meine Kirche

Dafür eine Gruppe namens «Team Yehshua«, sie verteilten Flyer und versuchten, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. «Wir sind hier, weil wir Jesus Christus nachfolgen», erklärt mir ein junger Mann, ich schätze ihn auf Anfang zwanzig. «Homosexualität ist an sich keine Sünde, aber die sexuellen Handlungen schon», sagt er selbstbewusst und fragt mich, ob ich an Jesus Christus glaube.

Ich zeige ihm daraufhin das Chi-Rho-Symbol, dass ich am linken Handgelenk unter die Haut gestochen trage – er hat es nicht erkannt. So viel dazu. «Das ist Jesus Christus», erkläre ich ihm und begebe mich wieder zur tanzenden Menge, die mir in diesem Moment so viel näher zu sein scheint. Jesus hätte mitgetanzt, denke ich mir.

Gott macht keine Fehler. Gott hat den Menschen nach seinem Abbild geschaffen, heisst es doch in der Bibel.

Dann muss Gott doch auch die Homosexualität geschaffen haben – logisch, oder?

Ich bin nicht die einzige Katholikin, die aus der Beschäftigung mit dem Wort Gottes diese Schlüsse zieht. Aber wo sind die anderen heute? Vielleicht treffe ich sie am morgigen Sonntagnachmittag beim Pride-Gottesdienst in St. Peter und Paul. Ich werde morgen zur Kirche gehen, denn offensichtlich kommt sie heute nicht zu mir.