Kirche aktuell

Aktuelle forum-Ausgabe Frauen in der Kirchenleitung

Wichtige Entscheidungen treffen in der Katholischen Kirche bisher meist Männer, denn Entscheidungsmacht ist an die Priesterweihe gebunden. Der neue Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, hat zwei Frauen in seinen Bischofsrat berufen. Im Jubiläumsjahr «50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz» haben wir alle Mitglieder dieses Rates gefragt, welche Perspektiven sie für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche sehen.
24. Juni 2021 Katholische Kirche im Kanton Zürich

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«Ich plädiere für das Diakonat der Frau»

Brigitte Fischer Züger, Co-Leiterin Stabsstelle Personal

«Es ist doch ein Armutszeugnis, dass es überhaupt eine Kommission für Frauen braucht», dachte Brigitte Fischer, als sie vor Jahren angefragt wurde, Mitglied der bischöflichen Frauenkommission zu werden, und sagte ab. «Ich möchte auf Augenhöhe mit den Bischöfen reden.» Brigitte Fischer, die ihre Lizenziatsarbeit zur Stellung der Frau in den paulinischen und nachpaulinischen Gemeinden gemacht hat, hatte sich als junge Pastoralassistentin und Gemeindeleiterin von Bischof Vonderach die Erlaubnis zum Predigen schriftlich geben lassen. So konnte sie das spätere Predigtverbot von Bischof Haas und seinen Nachfolgern nicht einschüchtern. Was ihr auffällt: «Die Kirche wird schwächer. Manche denken, man habe sich zu sehr geöffnet. Sie wollen in die Vergangenheit zurück und verweisen Frauen auf ihre traditionellen Rollen. Das schwächt die Motivation vieler Theologinnen, sich auf einen Dienst in der Kirche einzulassen.» Zum Glück gebe es nach wie vor Frauen mit Führungsverantwortung in der Kirche auf allen Ebenen – wenn auch noch wenige. «Vom sakramentalen Bereich ist die Frau ausgeschlossen, weil sie nicht geweiht ist. Deshalb plädiere ich für das Diakonat der Frau.» Für die Priesterweihe von Frauen sei die Zeit noch nicht reif und die Weltkirche nicht bereit. Persönlich wird sie weiterhin «Frauen fördern und sie ermutigen, in der Kirche Verantwortung zu übernehmen. Und ich werde im Bischofsrat für die Anliegen der Theologinnen und aller in der Pfarreiseelsorge engagierten Frauen des Bistums eintreten. Ich hoffe auf einen guten Dialog mit allen Männern und Frauen, die in unserem Bistum einen Dienst ausüben.»

«Muss von Rom entschieden werden»

Luis Varandas, Generalvikar Zürich und Glarus

Frauen spielen in der Kirche eine wichtige Rolle, das ist Luis Varandas klar. «In Gottesdiensten und der Freiwilligenarbeit sind Frauen in der Überzahl.» Ohne sie wäre «nur ein Teil von dem möglich, was die Kirche ausmacht». Er hat daher Verständnis, wenn sich manche Frauen – «nicht alle!», wie er betont – diskriminiert fühlen, weil wichtige Leitungsfunktionen Priestern – und damit Männern – vorbehalten sind. Seine Mitarbeiterinnen im kirchlichen Dienst bittet er in diesen Fragen um Geduld – im Wissen darum, dass das «ein schwacher Trost ist». Aber es seien nun einmal Grenzen gesetzt, «die wir nicht überwinden können, und wenn es für jemanden nicht mehr geht, dann muss man die Person ziehen lassen». Im Generalvikariat Zürich sei vieles schon möglich: «Wir versuchen, Charismen, Fähigkeiten, Möglichkeiten zu berücksichtigen und Frauen in Führungspositionen einzusetzen, überall dort, wo es nicht von der Weihe abhängig ist.» Alles andere müsse von Rom, der Weltkirche entschieden werden. Deshalb hat er sich auch noch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob Frauen zu Priesterinnen geweiht werden sollen. 


«Ich überdenke meine Position»

Peter Camenzind, Generalvikar Urschweiz

Frauen seien eine wichtige Inspirationsquelle für die Kirche und für ihn persönlich, sagt Peter Camenzind.  Sein eigener Glaube ist geprägt von Frauen, begonnen bei seinen Grossmüttern über Chiara Lubich («sie hat mich gelehrt, die Kirche nicht so eng zu sehen und das Priestertum nicht nur von der Hierarchie her zu denken …») bis zu Gisa Maia, Exerzitienmeisterin und Gründerin einer Gemeinschaft, die sich in Brasilien für die Ärmsten einsetzt. Diese starken Frauen bewegen etwas in ihm: «Bisher ging ich davon aus, dass Jesus nur Männer als Priester wollte, da er die Apostel dazu ausgewählt hat.» Daher könne die Kirche darüber gar nicht befinden und «in dieser Frage nicht einfach nach den Forderungen unserer Zeit entscheiden». Doch die Erfahrung mit dieser Frauengemeinschaft in Brasilien lässt ihn diese Position überdenken. «Ich halte Ausschau nach Hinweisen, ob Jesus in dieser Zeit vielleicht auch Frauen in diesem Amt möchte.» Auch der Blick in die Kirchengeschichte zeige: «Man kann Seelsorge und kirchliches Leben nicht immer hierarchie-  und regelkonform aufbauen, darum hatten immer wieder Frauen leitende Positionen. Aber es war kirchenrechtlich nie gut abgesichert.» Der Kontakt mit jungen Priestern, die um ihre Rolle und Identität ringen, hat in ihm aber auch die Überzeugung gestärkt, «dass das Priesteramt für die Kirche weiterhin wichtig ist». Denn die Beauftragung dazu «kommt von Christus selbst, durch die Weihe». Das sei ein Geheimnis, «das weiterwirkt in der Kirche». Es dürfe daher nicht sein, dass die Frauenfrage dieses Amt zerstört oder aushöhlt, dass man aus Frust das Priesteramt abwertet und als nicht mehr nötig ansieht. Von daher – überlegt er – wäre es vielleicht sogar gut, dass in Zukunft auch Frauen zu Priesterinnen geweiht werden – um die sakramentale Berufung der Kirche zu schützen. 

«Nicht dem Mann nachrennen»

Donata Bricci, Kanzlerin

Die Wertschätzung, das Hören aufeinander ist für Donata Bricci ganz wichtig, und sie spürt ein echtes Interesse an ihrer Meinung im Bischofsrat. «Beim Thema Frau habe ich den Eindruck, dass da in der Kirche etwas stehen geblieben ist. Da könnte die Kirche sich viel mehr trauen, etwas zu tun.» Dabei möchte sie das «Spezielle in der Frau, auch in der Kirche», herausfinden, denn sie habe eine «Aufgabe, die eine andere ist als die vom Mann, die wir aber eigentlich noch nicht entdeckt haben». Das Komplementäre liegt ihr am Herzen: «Dass Mann und Frau sich wirklich ergänzen. Ergänzen heisst nicht, dass einer besser ist als der andere.» Sie glaubt nicht an den Geschlechterkampf, im Gegenteil: «Es braucht viel Geduld, viel Gebet, da bin ich überzeugt, und die Offenheit der Herzen.» Das Priestertum der Frau würde ihrer Meinung nach das Problem nicht lösen: «So rennen wir nur dem Mann nach. Für mich wäre es interessanter, zu sehen: Was ist jetzt die Rolle der Frau, ihr Wesen, ihre Aufgabe, die Gott ihr auch anvertraut hat.» Sie nimmt aber wahr, dass es Frauen gibt, die Priesterin werden möchten. Allerdings habe die Kirche in diesem Punkt ja abschliessend mit Nein entschieden. Trotzdem bewegt sich etwas in ihrem Herzen: «Die Hierarchie in der Kirche bedeutet eigentlich Verantwortung und Dienst; nicht immer wird sie so gelebt.» Für sie ist es keine Abwertung als Frau, wenn sie nicht Priesterin werden kann.


«Kirche hat keine Vollmacht, Frauen zu weihen»

Andreas Fuchs, Bischofsvikar 

«Ich verstehe, dass Frauen die volle Verantwortung übernehmen möchten, sie sind voll ausgebildet und als Gemeindeleiterinnen müssen sie den Kopf hinhalten, wenn etwas nicht gut läuft. Ich begreife, dass das Unzufriedenheit schafft und frustrierend ist, das passiert allerdings genauso Männern, die Laientheologen sind.» Andreas Fuchs formuliert sorgfältig, sucht nach den richtigen Worten. Er möchte nicht verletzen, umkreist das Thema und fragt ganz grundsätzlich: «Gott hat Mann und Frau geschaffen. Was ist das Mannsein im Tiefsten, und was das Frausein?» Auch findet er, man solle nicht nach der Macht fragen, sondern um was es in der Kirche im Tiefsten gehe: «Die Grössten im Himmelreich sind nicht die Amtsträger, sondern die Heiligen.» Warum also am Amt hängen, fragt er sich. «Ich finde das gar nicht so erstrebenswert.» Es sei ein Dienst, und auch Männer könnten sich die Priesterberufung nicht selber geben, der Bischof müsse diese bestätigen. 

«Warum hat Jesus nur Männer als Apostel genommen? Warum wählten die ersten Christen sieben Diakone? Die ganze Kirchengeschichte hat sich an das Beispiel von Jesus gehalten und Männer zu Priestern geweiht, darum fühlen wir uns verpflichtet, daran festzuhalten.» Was sagt er zu Maria Magdalena, von Papst Franziskus 2016 in den Rang einer Apostelin erhoben, die seither am 22. Juli ihren eigenen Festtag im Kirchenjahr hat? «Das ist ein Zeichen, dass man auch ohne Amt grosse geistige Vollmacht haben kann.» Wie Johannes Paul II. gesagt und Papst Franziskus bestätigt hat, habe die Kirche «keinerlei Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden».

 

«Bischofskonferenz soll mit einer Stimme reden» 

Urs Länzlinger, Co-Leiter Stabsstelle Personal

Gemeindeleitungen von Frauen und Männern hätten in Zürich eine 40-jährige Tradition, betont Urs Länzlinger: «mit der bischöflichen Missio und in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den priesterlichen Pfarradministratoren». Ausserdem gäbe es qualifizierte Theologinnen in Leitungspositionen im Generalvikariat und als Fach- und Dienststellenleiterinnen. «Kolleginnen und Kollegen in Deutschland staunen darüber, denn dort beginnen sie erst seit Kurzem gezielt damit, Frauen in führenden kirchlichen Positionen einzusetzen.» 
Auf Bistumsebene möchte er gerne ein Mentoringprogramm vorschlagen, das Frauen in und für Leitungspositionen fördert und stärkt. Was die Weihe von Frauen betrifft, möchte er mit dem neuen Bischof in den laufenden Prozess einsteigen, ohne zu polarisieren. Ein zu beachtendes Argument sei Maria Magdalena, die von Papst Franziskus als Apostelin aufgewertet wurde und als Erste das Evangelium verkündet habe. Somit sei in der Tradition der Kirche schon enthalten, was nun heute noch mit der Hilfe vom Heiligen Geist entwickelt werden müsse.  «Im Rahmen des weltweiten synodalen Prozesses wäre es wichtig, wenn die Schweizer Bischofskonferenz mit einer Stimme zu diesem Thema in Rom vorstellig würde», meint er, «so wie damals, als in den Schweizer Bistümern  Pastoralassistenten und -assistentinnen eingeführt wurden.» Es gebe viele gute Theologinnen an wichtigen Posten, «diese guten Erfahrungen der Schweizer Ortskirchen sollten die Schweizer Bischöfe in Rom als Erfahrungsschatz einbringen».


Kein Kommentar 

Jürg Stuker, ab 1. Juli 2021 Generalvikar für Graubünden

Jürg Stuker will vor seinem Amtsantritt keine Medienanfragen beantworten.


«Frauen sollen Leitungsaufgaben übernehmen»

Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur

Bischof Joseph Bonnemain ist «offen für Entwicklungen», handeln möchte er nur in Einheit mit der Gesamtkirche.

forum: Wo und in welchen Verantwortungen sehen Sie Frauen in der katholischen Kirche? 

Bischof Bonnemain: Frauen nehmen bereits diverse Leitungsaufgaben in der Kirche wahr. In Chur habe ich als Bischof Frauen in die Bistumsleitung berufen. Auch in Zürich und anderen Bistumsregionen nehmen sie schon längst pastorale Führungsaufgaben wahr. 

In der katholischen Kirche ist so viel in Bewegung wie schon lange nicht mehr. Für Entwicklungen bin ich sehr offen. Aber ich werde als Bischof immer in Einheit mit der Gesamtkirche handeln. Veränderungen in der Weltkirche brauchen Zeit und strapazieren oftmals die Geduld, weil sie lange dauern.

Katholisch-Sein bedeutet auch, dass alle, jede Frau und jeder Mann, berufen sind, Mitverantwortung zu tragen – ohne Unterschied zwischen den Geschlechtern. Es ist klar, dass unsere Kirche heute bezüglich der Gleichstellung von Frauen ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Viel zu lange hatten Frauen kaum Zugang zu Leitungsaufgaben. Wenn wir das Katholisch-Sein wirklich ernst nehmen, muss das auch Konsequenzen in diesen Fragen haben. Wir sind mitten in einem Prozess. Manches hat sich bereits geändert, anderes wartet noch auf eine gute und für alle akzeptable Lösung. Hier wird die Vertiefung der Synodalität, welche der Papst entschlossen anregt, neue Perspektiven zeigen.

 

forum: Haben Sie als Bischof Macht, zugunsten von Frauen in der Kirche etwas zu verändern? Und werden Sie auch etwas zugunsten der Rechte von Frauen in der Kirche verändern, und wenn ja was? 

Bonnemain: Als Bischof von Chur kann ich nicht die Gesamtkirche verändern oder Entscheide fällen, die von der Gesamtkirche nicht mitgetragen werden. Ich bin eingebunden in die Weltkirche, habe 2000 Jahre «sensus fidelium» – die Überzeugungen der Gläubigen – zu berücksichtigen und muss abwägen, welche Folgen eine Veränderung mit sich bringt. Aber ich will mich nicht verstecken oder billige Ausreden suchen. Ich sehe die offenen Probleme bezüglich der Frauen in der Kirche und meine einzige Macht besteht darin, meine Erfahrung und meine Überzeugung überall dort einzubringen, wo ich das als Bischof tun kann. Das ist die Macht, die ich habe. Nicht mehr, nicht weniger. Aber innerhalb des Bistums werde ich sehr wohl darauf achten, dass vermehrt auch Frauen kirchliche Führungsverantwortung übernehmen.

 

forum: Es gibt Frauen, die sich zum Priesteramt berufen fühlen und auch dazu, Verantwortung und Leitung in der Kirche zu übernehmen. Welche Perspektive haben diese Frauen in Ihren  Augen?

Bonnemain: Ich kenne viele Frauen, die ihrer Berufung folgen und in verschiedenen Aufgaben und in verantwortlichen Positionen segensvoll in der Kirche wirken. Schliesslich ist für eine Führungsperson nicht das Geschlecht entscheidend, sondern menschliche Reife, die Fachkompetenz, die Erfahrung und ideologiefreie Besonnenheit. Viele Seelsorgerinnen empfinden es dennoch als diskriminierend, dass sich in der Frage der Weihe nichts geändert hat. Das ist mir schmerzlich bewusst. Für mich ist auf jeden Fall wichtig, dass Frauen selbstbewusst die leitenden Aufgaben in der Kirche wahrnehmen, die auch ohne Weihe möglich sind. Auf nationaler Ebene versucht derzeit auch die Schweizer Bischofskonferenz, mit den Frauen den Erneuerungsweg der Kirche in der Schweiz zu gestalten. Auch hier hoffe ich, dass der Heilige Geist uns Männern und Frauen den Weg weist und Glaubensmut gibt, miteinander vorwärtszugehen.

Text: Beatrix Ledergerber / Veronika Jehle