Jacqueline Fehr zum Verhältnis von Staat und Religionen «Dieses System hat keine Zukunft»
Anlässlich des Schweizer Nationalfeiertags äussert sich die Zürcher Religionsministerin Jacqueline Fehr auf dem theologischen Online-Portal feinschwarz über den aus ihrer Sicht grundlegenden Reformbedarf im Verhältnis des Staats zu den verschiedenen hier etablierten Religionsgemeinschaften. In ihrem Beitrag «Wir machen Religionspolitik, nicht Kirchenpolitik» appelliert Fehr für ein neues religionspolitisches System, das nicht länger einige wenige privilegiert, sondern alle, die wollen, gleichbereichtigt teilhaben lässt.
Das ist heute nicht der Fall. Nur die drei traditionellen «Landeskirchen» sind vom Kanton öffentlich-rechtlich anerkannt. Sie werden nicht nur vom Staat finanziell unterstützt für Leistungen, die der ganzen Gesellschaft zugute kommen. Sie erhalten auch Steuern nicht nur von ihren Mitgliedern, sondern auch von juristischen Personen. Also von allen Firmen, vom muslimischen Kebapstand-Betreiber bis zur konfessionslosen Grossbank. Zusätzlich geniessen zwei jüdische Gemeinden eine «kleine Anerkennung», die aber mit wesentlich weniger Privilegien verbunden ist. Alle anderen wie orthodoxe Kirchen, Freikirchen oder Muslime gehen leer aus, auch wenn sie ebenfalls für die ganze Gesellschaft wichtige Leistungen erbringen. Jacqueline Fehr schlussfolgert:
«Wenn wir diese Verteilung der finanziellen Mittel sehen und uns den Verfassungsgrundsatz vor Augen führen, der besagt, dass der Staat religiös neutral sei, dann sehen wir: Wir haben ein Problem.»
Kommt hinzu, dass heute nur noch etwas weniger als die Hälfte der Bevölkerung einer der «Landeskirchen» angehört. Die Mehrheit gehört einer anderen Religionsgemeinschaft an oder gar keiner. Für die Religionsministerin bedeutet das:
«Wir leben also in einer Gesellschaft, in der viele Religionsgemeinschaften aktiv sind. Alle von ihnen Minoritäten. Ja: alle, auch die christlichen. Und wir leben gleichzeitig mit einem religionspolitischen System, das einem relativ kleinen Kreis von anerkannten Religionsgemeinschaften eine besondere Stellung verschafft - und andere von diesen Rechten ausschliesst. Für mich ist in dieser Situation klar: Dieses System hat keine Zukunft.»
Für Fehr muss sich eine zukunftstaugliche Religionspolitik an den Maximen der Teilhabe aller und der Nichtdiskriminierung orientieren. Alle sollen die gleichen Chancen, Rechte und Pflichten haben. Alle, die dies wollen, sollen am System teilhaben dürfen, niemand darf ausgeschlossen bleiben.
Wie genau der Weg zu diesem neuen System verlaufen und in welchem zeitlichen Horizont es eingeführt werden soll, darüber äussert sich die Religionsministerin (noch) nicht. Auch nicht darüber, welche Konsequenzen diese grundlegende Neuausrichtung für die traditionellen «Landeskirchen» hätte, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht. Aber eines ist für sie klar:
Der Staat muss «garantieren, dass alle Religionsgemeinschaften gleichberechtigt am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben können.»
Hier finden Sie den integralen Text von Regierungsrätin und Religionsministerin Jacqueline Fehr.
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