Kirche aktuell

Synodaler Weg Die katholische Krise und die Frauen

Vor vier Jahren machte sich die Kirche in Deutschland auf den Synodalen Weg. Im März kommt es zum Endspurt. Die Zürcher Dokumentarfilmerin Henriette Bornkamm hat gemeinsam mit der Wuppertaler Co-Autorin Heike Fink für die ARD den Synodalen Weg aus Sicht der Frauen portraitiert. Zur Weltpremiere des Films am 7. März in der Paulusakademie sprachen wir mit der Filmemacherin.
03. März 2023 Katholische Kirche im Kanton Zürich

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Dokumentarfilmerin Henriette Bornkamm. Bild zVg

Henriette Bornkamm, seit Sommer 2022 Co-Leiterin beim SRF-Religionsteam, wuchs als evangelische Pfarrerstochter in Deutschland auf. Bis zu ihrem 15. Lebensjahr war sie jeden Sonntag in der Kirche anzutreffen, weshalb sie der Kirche trotz kritischer Einstellung auch heute noch sehr eng verbunden ist. Der Kommunikationswirtin, Autorin und Filmemacherin liegt es am Herzen, dass «eine Institution, die dazu beiträgt, dass positive Werte wie Vertrauen, Nächstenliebe und Gerechtigkeit gelebt und gelehrt werden», fortbestehen sollte. Diese Einstellung ist es, die Bornkamm dazu motiviert, sich in ihren Filmen mit Kirche zu befassen.

Wie kamen Sie zum Filmprojekt über den Synodalen Weg?

Gemeinsam mit meiner Kollegin Heike Fink habe ich 2019 das Projekt «Die Kirchenrebellinen - Maria 2.0» realisiert. Unsere Protagonistinnen sprachen damals viel von ihren Erwartungen an den Synodalen Weg, der gerade beschlossen worden war. Der zuständigen Redakteurin des SWR schien es logisch, die erfolgreiche Zusammenarbeit mit uns fortzusetzen und sie beauftragte uns mit einem Film über den Synodalen Weg aus der Perspektive der Frauen.

Wie ist ihre Einstellung zum Synodalen Weg?

Der Synodale Weg hat drei Jahre gedauert und hohe Erwartungen geschürt. Das übergeordnete Ziel, das Vertrauen der Gläubigen in ihre Kirche wiederzugewinnen, ist aus meiner Sicht nicht gelungen.

2021 traten mit 359.338 Katholikinnen und Katholiken in Deutschland so viele Menschen aus der Kirche aus, wie nie zuvor. Die deutschen Kirchenaustrittszahlen für das Jahr 2022 sind noch nicht veröffentlicht. Auf einer dpa-Umfrage basierende Schätzungen lassen jedoch eine noch höhere Zahl vermuten.

«Natürlich braucht es sehr viel Zeit, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Ich befürchte jedoch, dass vom Synodalen Weg zu wenig positive Strahlkraft ausgeht, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.»

Das wichtigste konkrete Ziel war, die Strukturen aufzubrechen, die strukturellen Missbrauch innerhalb der Kirche begünstigen. Um das zu erreichen, wurden die Stellung der Frau, der Umgang mit Macht, die verpflichtende Ehelosigkeit von Priestern und die katholische Sexualmoral diskutiert.

Die komplette Ablehnung des Synodalen Wegs durch den Vatikan macht klar, dass vom Vatikan in absehbarer Zeit keine Zustimmung zur Frauenweihe, zum Abbau der Machtfülle der Bischöfe oder zur Abschaffung des Pflichtzölibats zu erwarten ist.

Die Bilanz des Synodalen Wegs empfinde ich alles in allem als bitter, besonders für die Missbrauchsopfer und alle Katholikinnen und Katholiken, die für Reformen gekämpft oder darauf gehofft haben.

Hat sich Ihre Haltung zur katholischen Kirche nach der Dokumentation geändert?

Meine Haltung gegenüber der katholischen Kirche ist schon lange kritisch. Das Ausmass des Missbrauchsskandals schockiert mich. Die Frage ist jedoch, was man unter katholischer Kirche versteht. Es gibt viele parallele Strukturen, die ich unterschiedlich bewerte.

«Zum einen sind da die vielen tollen Gemeinden. Ich habe grosse Sympathien und vollstes Verständnis für Menschen, die sich darin aufgehoben fühlen. Während der Arbeit an meinem Film habe ich Einblicke in weitere Ebenen erhalten, die mir komplett neu war: die der Bischöfe und die des Vatikans.»

Die Macht der Bischöfe empfinde ich als nicht zeitgemäss. Die Beschlüsse des Synodalen Wegs sind für die Bischöfe beispielsweise nicht bindend. Im Synodalen Weg wurde zwar mehrheitlich beschlossen, einen Synodalen Rat einzurichten, der die Machtfülle der Bischöfe beschneiden würde. Der Vatikan befürchtet jedoch eine Schwächung des Bischofsamtes und will die Einrichtungen eines solchen Gremiums unterbinden.

«Durch die vielen Eindrücke, die ich seit 2019 sammeln durfte, ist meine Haltung zur katholischen Kirche - bei aller Sympathie für die Menschen an der Basis und einzelne Bischöfe - noch kritischer geworden.»

Die katholische Kirche tut sich schwer mit Veränderungen – und zwar, wie im Fall der Einrichtung eines Synodalen Rats oder der Weihe von Frauen deutlich wird, weil der Vatikan in vielem das letzte Wort hat. Dass es die Kirche in Deutschland in den letzten drei Jahren nicht geschafft hat, die Strukturen signifikant weiterzuentwickeln, die Missbrauch begünstigen, finde ich enttäuschend. Ich weiss, dass Veränderung immer Zeit brauchen. Andererseits kann es sehr schnell gehen, wenn die Medien ein Thema aufgreifen und gut platzieren. So erwirkten etwa die Initiative #OutinChurch und der gleichnamige Film, dass sich die katholische Kirche in Deutschland in Zukunft als Arbeitgeberin aus den intimen Verhältnissen ihrer Angestellten heraushalten will. Da kann ich nur sagen: geht doch, aber offenbar nur, wenn es sich um Themen handelt, die den Vatikan nichts angehen.

Wie sehen bzw. erleben Sie die Schweizer und die Zürcher Kirche?

Mit der katholischen Kirche in Zürich hatte ich bisher wenig Berührungspunkte. Ich weiss aber von den deutschen Maria 2.0-Frauen, dass es hier grossartige Menschen gibt, sie sich für Veränderungen einsetzen, wie beispielsweise die Frauen der Initiative «Gleichberechtigung. Punkt. Amen».

Die reformierte Kirche erlebe ich als den Menschen zugewandt. Die Arbeit des Sozialwerks Pfarrer Sieber, das sich um Notleidende in der Gesellschaft kümmert, finde ich grossartig. Mein Gemeindepfarrer hat zu Scheidungsritualen promoviert und bietet Geschiedenen Rituale und Beistand an. In unserer Gemeinde gibt es attraktive Kinderbetreuungsangebote in den Schulferien, die Menschen aller Konfessionen und sozialer Hintergründe offenstehen. In der Enge gibt es das Café Zytlos, indem man niederschwellig mit Kirchenmitarbeitenden ins Gespräch kommen kann. Zürich hat eine eigene Pfarrerstelle für die LGBTQ+-Community geschaffen. Mein Fazit: Die reformierte Kirche in Zürich schafft attraktive Angebote und geht auf die Menschen zu. Das finde ich toll.

Auch die Filmbranche ist heute noch verstärkt männerdominiert, wie sehen Sie Ihre Stellung als Frau in der Filmbranche? Gibt es Parallelen zur Rolle der Frau in der Kirche und in der Film- und Fernsehbranche?

Der Filmbereich ist männerdominiert. Wie viele Regisseurinnen kann ich ein Lied davon singen, wie hart es ist, sich in einem Männerteam zu behaupten. Ausgelöst durch MeToo wurden Veränderungen in der Filmbranche angestossen, die jedoch nicht ausreichen. Strukturen ändern sich ja auch in der Filmbranche nicht von heute auf morgen.

«Die Parallele zwischen der Stellung der Frau in der Filmbranche und der katholischen Kirche sehe ich darin, dass Missbrauch entsteht, wo es ein starkes Machtgefälle gibt.»

Übrigens las ich, dass es nach Ansicht der Weltbank noch mehr als 50 Jahre dauern könnte, bis Männer und Frauen weltweit gleichberechtigt sind. Ich würde mir wünschen, dass sowohl die Kirche als auch die Filmbranche hier Vorreiterrolle einnehmen.

 

Filmpremiere Paulusakademie

Di 07. März 2023, 18:30 – 20:00 Uhr
Anschliessend Diskussion mit Gästen, unter anderem Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding

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