Kirche aktuell

Bischofsernennung und die Frauen

Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes.
Simone Curau-Aepli
Simone Curau-Aepli
Es braucht neu gedeckte Tische. Davon ist Simone Curau-Aepli überzeugt. Sie wünscht sich von Joseph Bonnemain, dass er sich als Gastgeber an diesen Tischen von kompetenten Frauen beraten lässt.
18. Februar 2021

Viele katholische Menschen glauben nicht mehr daran, dass es möglich sein wird, im Bistum Chur tragfähige Brücken zu bauen zwischen Menschen, die ein fundamental anderes Glaubens- oder Kirchenverständnis haben und sich doch zur selben Tradition zugehörig fühlen. Die Gräben sind tief und schon zu lange völlig ausgetrocknet, viele Brücken abgebrochen. Auch der vor zwei Jahren ausdrücklich verlangte und durch Papst Franziskus eingesetzte Administrator hat kaum Anstalten gemacht, die Situation zu befrieden, im Gegenteil. Es wurde noch mehr Geschirr zerschlagen.

Neu gedeckte Tische

Dass es in dieser Situation Menschen wie Joseph Bonnemain gibt, die diese Herkulesaufgabe übernehmen, um den Tisch neu anzurichten, ist nicht selbstverständlich. Aber diesen neu gedeckten Tisch bzw. die vielen Tische braucht es dringend:

Einen Tisch, um sich kennen zu lernen und sich auszusprechen, einen Tisch, um zu verhandeln, einen Tisch mit einer Landkarte, um neue Wege zu skizzieren, einen Tisch, um sich zu versöhnen und miteinander Brot und Wein zu teilen.

Ich stelle mir vor, dass alle diese Tische in einem grossen, lichtdurchfluteten Raum stehen, in dem Türen und Fenster weit offenstehen. Der Raum ist für alle Menschen barrierefrei zugänglich, die etwas beizutragen haben, damit sich Kirche als vielfältige und lebendige Gemeinschaft verstehen und erleben kann. In diesem Raum wird das Leben gefeiert, wird geschwiegen, getrauert, gesungen und getanzt.

Gastgeber:in sein

Einen Tisch zu decken, eine einladende Atmosphäre zu schaffen und Gastgeber:in zu sein, ist eine Kernkompetenz von vielen Frauen*. Ich wünsche dem designierten Bischof Joseph, dass er sich erlaubt, neue Spielregeln einzuführen, die neue Erfahrungen ermöglichen. Dass er zulässt, dass kompetente Frauen ihn in dieser so anspruchsvollen Aufgabe beraten und unterstützen. Die Autorität dazu wird ihm verliehen und in «Querida Amazonia» von Papst Franziskus nochmals bekräftigt. Ich hoffe, er ist sich dessen bewusst.

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Führungsstruktur überdenken

Nicht nur im Bistum Chur sind die Führungspersonen stark gefordert und oft überfordert mit all den Ansprüchen und Erwartungen an sie und ihr Amt. Unterdessen gibt es in den drei grossen Bistümern gerade noch einen einzigen amtierenden Weih-Bischof – es waren mal deren sechs. Es ist daher höchste Zeit, die Führungsstruktur und -kultur zu überdenken und die Aufgaben neu zu verteilen.

Auch wenn fähige Frauen und Männer nicht Schlange stehen vor den Bischofssitzen, bin ich überzeugt, dass sich kompetente Personen als Generalvikar:innen, Bischofsvikar:innen oder für neue Funktionen finden lassen.

Gemeinsamer Weg der Erneuerung

Anstelle der Weihbischöfe müssen diese Personen auch in der Schweizerischen Bischofskonferenz SBK Einsitz nehmen. Die SBK hat sich mit der Strategie 2025 und dem «Gemeinsamen Weg zur Erneuerung» zurecht viel vorgenommen für die kommenden Jahre.

Die Analyse ist glasklar, und es steht viel auf dem Spiel: Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche in der Schweiz und weit darüber hinaus.

Dazu werden die Tische gedeckt, um mit dem SKF, den Jugendverbänden, der RKZ und den spirituellen Bewegungen konkrete Erneuerungen zu diskutieren, zu entscheiden und damit die Kirche als Gemeinschaft aller Getauften zu erneuern und zu stärken. Für diese Gespräche braucht es jene offenen Räume, wie ich sie eingangs beschrieben habe und wie sie von Beteiligten mit grossem Einsatz eingerichtet worden sind. Räume, in denen alles zur Sprache kommen kann, was uns Katholik:innen bewegt: strukturelle Fehlkonstruktionen, die Machtmissbrauch begünstigen, pastorale und sakramentale Notlagen in den Pfarreien, lebensfeindliche Dogmen und die tiefen Verletzungen von Frauen (und Männern), die aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Lebensform ihre Berufung nicht leben dürfen.

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Ein Meilenstein ist gesetzt

Auch die Schwesternkirchen und die Politik spüren die direkten und indirekten Auswirkungen der fundamentalen Krise im Bistum Chur. Mit der Ernennung des neuen Bischofs wird für die katholische Kirche und weit darüber hinaus ein Meilenstein gesetzt. Endlich. Ich erwarte, dass es auch eine Entspannung gibt in der Zusammenarbeit mit den staatskirchenrechtlichen Gremien und den vielen engagierten Seelsorger:innen. Das gönn ich allen von Herzen.

 

* Als Frauen sind hier all jene Menschen gemeint, die sich als Frauen definieren und als solche gelesen werden möchten.
: wird verwendet, um alle Geschlechter in einem einzigen Wort abzubilden.

Diese Zeichen gehören zu den Richtlinien des SKF für eine gendersensible Sprache, die zwar noch nicht kommuniziert sind, aber schon angewandt werden.