Kirche aktuell

Papst und Jugend «Christus Vivit» unter dem Kopfkissen

«Christus Vivit» unter dem Kopfkissen
Claude Bachmann

Claude Bachmann ist Religionspädagoge, studiert an der Theologischen Hochschule Chur Theologie und ist für den Fachbereich «kirchliche Jugendarbeit» der Landeskirche Graubünden verantwortlich. Er hat den Prozess der Jugendsynode 2018 intensiv beobachtet und versucht nun die Anliegen rund um die Jugendsynode und «Christus Vivit» auf kantonaler und nationaler Ebene «an den Menschen» zu bringen.

Claude Bachmann
Eine Weisheit besagt, dass wenn Texte während dem Schlafen unter das Kopfkissen gelegt werden, sich die schlafende Person den Text besser memorieren kann. In einem Selbstversuch habe ich nun «Christus Vivit»* (CV) unter mein Kopfkissen gelegt und beobachtet, welche Stellen von CV mich besonders im und durch den Schlaf begleitet haben und warum.
24. Mai 2019

Nachsynodales Apostolisches Schreiben von Papst Franziskus an die jungen Menschen und an das ganze Volk Gottes

Junge Menschen als Gegenüber

Nach der ersten Nacht musste ich vor allem an die Gesamtkomposition des Textes denken. Als Brief an die jungen Menschen verfasst, spricht Papst Franziskus die jungen Menschen in vielen Passagen direkt mit Du an. Bei der Nummer 143 beispielsweise ermutigt Papst Franziskus junge Menschen von sich hören zu lassen und aktiv zu sein: «Liebe junge Menschen, […] beobachtet das Leben nicht von einem Balkon aus. […] Lasst von euch hören! […] Widmet euch dem Besten des Lebens! Öffnet die Käfigtür und fliegt hinaus! Geht bitte nicht schon vorzeitig in den Ruhestand.»

Papst Franziskus setzt auf die Dynamik junger Menschen und sieht sie als echtes Gegenüber der katholischen Kirche und als Protagonist*innen kirchlichen Handelns.

Junge Menschen als «locus theologicus»

Ebenfalls in Erinnerung geblieben ist mir – der Prozess der Jugendsynode und das Abschlussdokument mitgedacht – die theologisch eindrucksvolle Zustimmung, junge Menschen als «locus theologicus» ernst zu nehmen. Junge Menschen sind Zeug*innen und Träger*innen des authentischen Glaubens und somit ein «Ort» (locus), an dem der Glaube, das Evangelium – auch resp. gerade für die Kirche(n) – «ablesbar» ist.

Papst Franziskus ist sich bewusst, dass die Kirche jungen Menschen «einfach zuhören [muss], und in dem, was andere sagen, ein Licht erkennen, das ihr helfen kann, das Evangelium tiefer zu verstehen» (CV 39).

Volksnahe Jugendpastoral

Als Jugendseelsorger hat mich die von Papst Franziskus beworbene «volksnahe Jugendpastoral» (CV 230 – 238) nicht nur intensiv im und durch den Schlaf begleitet, sondern für mich zu einem zentralen Anliegen gemacht.

Eine für alle offene volksnahe Jugendpastoral, «die fähig ist, inklusive Räume zu schaffen, wo Platz ist für jeder Art von jungen Menschen und wo wirklich sichtbar wird, dass wir eine Kirche mit offen Türen sind», muss das Ziel jugendpastoraler Arbeit sein.

Leitend für mich ist dabei, dass die Interessen, Fähigkeiten und Sachkompetenzen junger Menschen der Ausgangspunkt der Arbeit mit jungen Menschen sind. Eben: eine Jugendpastoral «nahe dem Volk».

Selbstkritik

Zuletzt sind mir, im Kontext aktueller kirchenpolitischen Diskussionen, die selbstkritischen Stellen geblieben.

In einer Passage räumt Papst Franziskus ein, «dass sich einige Dinge ändern müssen» (CV 39) und dabei die Meinungen und Kritik junger Menschen eine wichtige Rolle spielen. Weiter bittet er in CV 35 den Herrn darum, «er möge die Kirche von denen befreien, die sie alt machen, sie auf die Vergangenheit festnageln, bremsen und unbeweglich sind».

Ich schweife ab, denke mit einem Seufzer an das Bistum Chur, aber mit Freude an den Apostolischen Administrator Peter Bürcher. Schön, dass er für einige Monate das gebeulte Bistum leiten darf, aber damit ist es nicht getan. Alle müssen selbstkritisch sein und einen Schritt auf das je Andere machen und die Hand ausstrecken. Aber nun schweife ich definitiv ab. Es lohnt sich, Texte wie «Christus Vivit» zu lesen und unter das Kopfkissen zu legen. Mir hat es neue, erfrischende und motivierende Perspektiven eröffnet. Ich wünsche allen von Ihnen ähnliche Momente; ein Kopfkissen haben wir ja alle!

Zur Person

Claude Bachmann (34) hat in der Innerschweiz sieben Jahre als Religionspädagoge/Jugendseelsorger gearbeitet. Seit 2015 studiert er an der Theologischen Hochschule Chur Theologie und ist für den Fachbereich «kirchliche Jugendarbeit» der Landeskirche Graubünden verantwortlich.
Zusammen mit Viktor Diethelm (OKJ) hat er den Prozess der Jugendsynode 2018 intensiv beobachtet. Gemeinsam versuchen sie nun, die Anliegen rund um die Jugendsynode und «Christus Vivit» auf kantonaler und nationaler Ebene «an den Menschen» zu bringen.