Caritas zu Frauen in der Corona-Krise Wichtig fürs System und doch arm?
Wie sind Frauen bezüglich der Arbeit durch die letzten 20 Monate gekommen?
Frauen waren in der Corona-Krise besonders gefordert, weil sie sehr häufig in den systemrelevanten Branchen tätig waren und je nach Branche auch besonders exponiert warten. Sie mussten nicht nur mehr arbeiten, sondern waren auch mehr gesundheitlichen Risiken ausgesetzt, zum Beispiel auch in der Pflege. Frauen waren und sind übervertreten in den sogenannten systemrelevanten Berufen, zum Beispiel mit 86% in der Kinderbetreuung oder 86% in der Pflege. Die besonders im Lockdown ausgesprochene ideelle Wertschätzung hat aber keinerlei relevante Folgen gehabt – vor allem nicht in der Politik.
Auch die Belastung durch unbezahlte Arbeit daheim verschärfte sich im Lockdown zum Beispiel durch das Home Schooling. Frauen erledigen ehe schon den Grossteil der unbezahlten Arbeit, die sogenannte „Care Arbeit“ – ohne relevante Gegenleistung.
Sind durch Corona auch mehr Frauen von Arbeitslosigkeit betroffen? Der Gastro-Branche und dem Detailhandel ging es ja nicht unbedingt gut.
Das haben die Arbeitslosenzahlen noch nicht gezeigt. Aber die Belastung durch verschärfte Arbeitsbedingungen ist gestiegen. Und zum Glück auch das öffentliche Bewusstsein darüber. Das zeigt auch die hohe Zustimmung für die Pflegeinitiative in der Bevölkerung, die ja eben nicht von der Politik initiiert wurde, sondern vom Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner. Diese Zustimmung ist zumindest ein positiver Effekt der gesteigerten Aufmerksamkeit.
Welche Probleme sehen Sie als Expertin beim Thema Frauen und Arbeit sonst noch?
Es braucht dringend eine bessere „Honorierung“ von unbezahlter Care-Arbeit, die vor allem Frauen leisten. Diese darf nicht negative Auswirkungen auf die Renten haben, wie es heute oft noch ist. Frauen sind im Alter schlecht abgesichert. Dies ist ein sehr brennendes, aber auch stossendes Thema. In dem Bereich gibt es schon konkrete, relativ technische Vorschläge, mit denen sich zum Beispiel die Frauensession Ende Oktober beschäftigt. In die ähnliche Richtung geht auch die 13. AHV-Rente, eine Volksinitiative für besseres Leben im Alter. Davon hört man noch nicht viel, weil noch nicht klar ist, wann abgestimmt wird.
Warum nimmt sich das Armutsforum gerade in diesem Jahr der Frauenarmut an?
Das Thema schwingt bei unserem Hauptthema, der Familienarmut, einfach immer mit. Weibliche Armut ist an das Familien-Setting gekoppelt. Wir knüpfen auch an das Jubiläum des Frauenstimmrechts an. Viele von den Punkten, die Armutsrisiken für Frauen bergen, haben sich in den letzten Jahrzehnten wirklich nicht verbessert. Der Frauenstreik von 2019 hat schon viel beigetragen, Themen wie Care-Arbeit und Vulnerabilität von Frauen sichtbarer zu machen.
Allerdings sind viele, schon alte Forderungen aus der feministischen Bewegung noch nicht umgesetzt.
Wie steht die Schweiz im Vergleich da?
Die Schweiz ist sicher sehr konservativ. Die Familie wird als sehr private Angelegenheit betrachtet, einiges wird über das Familien- und Ehe-Recht reguliert. Generell investiert die Schweiz finanziell wenig, wenn es darum geht, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Elternzeit, ein bedarfsgerechter Mutterschutz und ähnliches sind politisch nicht durchgesetzt. Die direkte Demokratie beschleunigt es nicht gerade, alte Rollenmodelle aufzuweichen. Hier funktionieren Altersvorsorge und soziale Sicherung nur gut, wenn man durchgehend 100% mit einem guten Lohn arbeitet. Die Schweiz ist immer noch auf das «Ernährermodell» ausgerichtet.
Wie steht es um die Frauenarmut im Kanton Zürich?
Zum Thema weibliche Armut gibt es sehr wenige Daten für den Kanton Zürich, das Thema ist schlecht erforscht. Die Sozialhilfe-Statistik zeigt aber beispielsweise, dass alleinerziehende Mütter ein sehr grosses Armutsrisiko tragen. Es arbeiten auch viel mehr Frauen im Tieflohnsektor – schweizweit doppelt so viele wie Männer. Das Geld reicht dann schon im Alltag vorn und hinten nicht, im Alter erst recht nicht.
In der Beratungspraxis merken wir das ganz klar: Alleinerziehende Mütter mit schlecht bezahlten Jobs brauchen Hilfe. Die fehlende und teilweise unerschwingliche Kinderbetreuung verschärft die Situation weiter.
Welche Massnahmen gegen diese Frauen-Armut schlägt die Caritas Zürich vor?
Wir fordern faire Mindestlöhne. Diese würden verstärkt Frauen zugutekommen (hier mehr zur Initiative «Ein Lohn zum Leben»). Ausserdem braucht es mehr bezahlbare und bedarfsorientierte Kinderbetreuung auch ausserhalb der normalen Bürozeiten. Die klassische weibliche Arbeit muss politisch aufgewertet, unbezahlte Care-Arbeit besser anerkannt werden.
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