Kirche aktuell

Neuerscheinung «Warum bin ich gerettet worden?»

Bereichsleiterin Soziales und Bildung, verantwortlich für Kultursponsoring
Susanne Brauer
Susanne Brauer
Er entkam durch unglaubliches Glück der Ermordung im KZ und lebt bis heute in der Schweiz. Die Journalistin Katrin Schregenberger hat die Lebensgeschichte des orthodoxen Juden Peter Iczkovits nachgezeichnet. Ein Buch, das betroffen macht, aber auch Hoffnung schenkt – und gerade deshalb sehr aktuell ist. Susanne Brauer stellt es vor.
17. Mai 2024

Rettung_Totenwagen_Cover_06.jpg
Ein alter Mann spürt seiner Geschichte nach. Einer besonderen Geschichte. Peter Iczkovits war zwei Jahre alt, als er 1944 mit dem sogenannten «Kasztner-Transport» dem Holocaust entkam und in die Schweiz gebracht wurde. Über seine Rettung sagt er heute: «Sechs Millionen sind umgekommen, 1685 sind gerettet worden. Ich bin einer davon. Ich frage mich jeden Tag: Warum bin ich gerettet worden? Ich habe noch keine Antwort darauf.» Denn aus einer orthodox-jüdischen Familie stammend, hätte auch ihn das Schicksal der sechs Millionen heimsuchen «müssen».

Aktiv kann Peter Iczkovits sich nicht an die Zeit erinnern. So nimmt die Journalistin und Historikerin Katrin Schregenberger den Holocaust-Überlebenden an die Hand, kehrt mit ihm auf das Gelände des Konzentrationslagers Bergen-Belsen zurück. Der Transportzug brachte den kleinen Jungen zunächst dorthin, bevor er – wie 1684 weitere Menschen – durch den damals ungarischen Zionisten Rudolf Kasztner von den Nationalsozialisten freigekauft wurde. Stück für Stück werden Erinnerungslücken geschlossen und Rekonstruktionen von Erlebtem im Buch «Rettung vom Totenwagen» (2024) mit historischen Fotografien zusammengestellt und niedergeschrieben.

Der Glaube in dunkelster Stunde

Das Buch schildert nicht nur eindrucksvoll, wie sich mitten in einer Gesellschaft die Diffamierung einer religiösen Gruppe manifestiert und somit Antisemitismus – wie auch jegliche Form von religiöser Diskriminierung – entstehen kann. Es zeigt zugleich, wie Flucht und Verfolgung Glauben und Religiosität beeinflusst und wie der Glaube in den dunkelsten Stunden einem Menschen den letzten Halt bieten kann. Das Buch selbst ist noch in anderer Hinsicht ein Hoffnungsträger. Entstanden im engen Austausch zwischen der evangelisch-reformiert geprägten Autorin und dem jüdisch-orthodoxen Protagonisten, ist es ein Vorzeigebeispiel für interreligiösen Dialog und Zusammenarbeit.

Peter Iczkovits wohnt heute in Zürich-Wiedikon. Auf die Frage, wie sich heute ein Leben als Jude in Zürich gestaltet, merkt er an: «Das ist eben die Frage: Bin ich ein Schweizer Jude oder bin ich ein jüdischer Schweizer, was ist wichtiger bei mir, der Jude oder der Schweizer? Wenn ich ein Jude bin, heisst es, pack deine Sachen und geh nach Israel! Wenn ich Schweizer bin, dann heisst es, lass doch das Judentum sein! Es ist schwer zu verstehen, dass man ein Jude in der Schweiz sein kann.»

Die Buchpublikation wurde im Rahmen des Kultursponsorings der Katholischen Kirche im Kanton Zürich gefördert.


Katrin Schregenberger: Rettung vom Totenwagen. Als Zweijähriger aus dem KZ Bergen-Belsen in die Schweiz. Zytglogge Verlag, 280 Seiten.