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Aktuelle Ausgabe forum Pfarrblatt Verfolgte Religionen

Religionsfreiheit ist vielen Menschen weltweit verwehrt. Von der Schweiz gehen zahlreiche Bemühungen aus: Wer auf politischer, zivilgesellschaftlicher und kirchlicher Ebene zugunsten dieses Menschenrechts aktiv ist.
01. Februar 2022 Katholische Kirche im Kanton Zürich

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Sechs Jahre lang war Heiner Bielefeldt UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit in Genf – von 2010 bis 2016. Ein grosser Einsatz, und das im Ehrenamt, zusätzlich zu seiner Aufgabe als Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg. 

Heiner Bielefeldt sieht seinen Einsatz für die Religionsfreiheit als kleinen Mosaikstein. Er verfasste Stellungnahmen, führte Gespräche, arbeitete an öffentlichen Berichten mit, zum Beispiel für das internationale katholische Hilfswerk «Kirche in Not». Es gehörten auch «diskrete, aber sehr effiziente» Interventionen dazu, von denen die Öffentlichkeit nichts erfuhr. «Ohne das ganze Mosaik wäre ich depressiv geworden. Ein einzelner UN-Sonderberichterstatter kann wenig ausrichten.»


Es braucht NGOs

Das Mosaik, das Heiner Bielefeldt vor Augen hat, dürfte bunter sein als alle Flaggen, die vor dem Völkerbundpalast in Genf wehen. Die Flaggen stehen für die aktuell 193 UN-Mitgliedsstaaten und die zwei ständigen Beobachter: den Heiligen Stuhl und Palästina. Sie alle wirken am Thema Religionsfreiheit mit – manche engagierter, manche weniger. «Zur Welt der Vereinten Nationen gehören nicht nur Staaten, sondern auch die Zivilgesellschaft», sagt Heiner Bielefeldt. «Ohne die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen würde vieles nicht laufen. Sie liefern wichtige Informationen, wie es um die Religionsfreiheit bestellt ist.»

Ein zentraler Faktor sei zunächst das Image der Staaten, deren Umgang mit Religionsfreiheit in Frage stehe. «Die meisten Staaten wollen die Fassade wahren. Die Fassade muss poliert sein, denn mit Schmuddelkindern will man langfristig keine Wirtschaftsbeziehungen unterhalten», ist Heiner Bielefeldt überzeugt. Deswegen sei es wichtig, Verletzungen der Religionsfreiheit zu dokumentieren. «So kann auf dem diplomatischen Parkett Druck entstehen.» Im Idealfall. «Manchmal geht auf diplomatischem Weg gar nichts mehr.»
 

Religionsfreiheit als Indikator

Heiner Bielefeldt warnt davor, Menschenrechte gegeneinander auszuspielen – etwa, dass Nahrung wichtiger sei als Religionsfreiheit. «Wer sich ein Menschenrecht genau ansieht, stösst schnell auf andere Probleme. Wenn die Religionsfreiheit im Argen liegt, gibt es oft auch Probleme mit der Meinungsfreiheit, mit der Versammlungsfreiheit und anderen Menschenrechten.»

Der Einsatz für Religionsfreiheit ist wie 
das Zusammentragen von Mosaiksteinen. Einer stammt von Nichtregierungsorganisationen. Zum Beispiel von der katholischen Organisation «Franciscans International», die auf UN-Ebene aktiv ist. Der Franziskaner Markus Heinze leitet die NGO in Genf und New York. Die Franziskanerinnen und Franziskaner engagieren sich vor allem für soziale und ökologische Fragen. Um Religionsfreiheit im engeren Sinn geht es der NGO nicht. «Trotzdem ist das bei uns immer wieder Thema», sagt Markus Heinze. 

Zur lokalen Situation rund um die Freiheit ihrer Religionsausübung steht Heinze in Kontakt mit Mitschwestern und Mitbrüdern in aller Welt. Ein aktuelles Beispiel von Verletzungen der Religionsfreiheit sind Vorfälle in Fernost, in Westpapua. «Es gibt hier Probleme zwischen der indonesischen Administration und der indigenen Bevölkerung. Es ist ein politischer Konflikt, der manchmal religiös instrumentalisiert wird. Plötzlich werden Muslime und Christen gegeneinander ausgespielt.» Seine NGO hilft mit, dass Menschenrechtsverletzungen in UN-Gremien zum Thema werden.


Vorstösse in der Schweiz

Weitere Akteurinnen kommen aus Bern. Der jüngste Vorstoss zur Religionsfreiheit im Nationalrat stammt von der Grünen-Abgeordneten Sibel Arslan. Sie wollte im Dezember wissen, was der Bundesrat vom Olympia-Boykott mancher Regierungen in Peking hält: auch wegen der Frage nach den Uiguren, jener muslimischen Bevölkerungsgruppe, die vom chinesischen Staat unterdrückt wird.

Arslan stach damit in ein Wespennest der schweizerisch-chinesischen Beziehungen. Erst im Oktober hatte eine Gruppe von über 40 UN-Staaten die Situation der Uiguren in China angeprangert. Die Schweiz hatte die Erklärung nicht unterzeichnet. Sibel Arslan findet: «Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschenrechte mit Füssen getreten werden. Unabhängig davon, ob es um Jesidinnen, Kurden, Uiguren oder um andere Minderheiten geht. Die Menschen brauchen internationale Stimmen, damit sie nicht allein sind.»

China beobachtet genau, was sich in der Schweiz tut. Seit Dezember ist Irène Kälin Nationalratspräsidentin. Zu ihrem Amt gehört es auch, ausländische Botschafterinnen und Botschafter zu empfangen. Einer, der bereits vorstellig wurde, ist der chinesische Botschafter. «Ich habe im Gespräch auch die Situation der Uiguren angesprochen», sagt Irène Kälin. «Wir müssen auf allen Ebenen Menschenrechtsverletzungen anprangern.» 

Ob sich China davon beeindrucken lässt? «Ich bin da realistisch», sagt Kälin. «Es geht darum, immer wieder auf Missstände hinzuweisen. Ich habe die Hoffnung: Wenn auf der ganzen Welt immer wieder die Lage der Uiguren angesprochen wird, dann kann das China irgendwann nicht mehr ignorieren.»

Ein nächster Beitrag kommt aus dem Schweizer Aussendepartement EDA. Die Schweiz wirkt im UN-Menschenrechtsrat mit. «Unter anderem appellierte die Schweiz an Afghanistan, Myanmar oder auch Katar, religiöse Minderheiten zu schützen», sagt EDA-Sprecher Pierre-Alain Eltschinger. Das EDA informiert sich vor allem über die Schweizer Auslandsvertretungen in Sachen Religionsfreiheit: «Durch die Expertise im lokalen Kontext kann die Schweiz zeitnah auf individuelle oder systematische Einschränkungen der Religionsfreiheit reagieren.»
 

Kirchliche Hilfswerke engagiert

Auch die Arbeit der kirchlichen Hilfswerke ist Teil des Mosaiks. Das EDA nennt HEKS, das Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, und Caritas Schweiz als Beispiele, die in der «internationalen Zusammenarbeit eine prominente Rolle» spielen. Gelder der DEZA, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, gebe es allerdings nur für die Entwicklungszusammenarbeit im internationalen Programm. Für die kirchlichen Aktivitäten müssten «andere Finanzquellen» genutzt werden, betont das EDA.

Religionsfreiheit indes ist bei Caritas Schweiz kein eigener Schwerpunkt. «Der Fokus liegt auf der Bekämpfung von Armut weltweit», sagt Caritas-Schweiz-Sprecher Stefan Gribi. Die Caritas helfe «Menschen in Not ungeachtet ihrer religiösen und politischen Anschauung» und ihrer ethnischen Zugehörigkeit. «Die allgemeine Benachteiligung religiöser Minderheiten ist daher bei zahlreichen Projekten in verschiedenen Ländern ein Aspekt.» Ein Mosaiksteinchen mehr.

Text: Raphael Rauch, Redaktionsleiter von kath.ch