Ferienzeit ist Fotozeit Timeline statt Erinnerung
Beim Anblick eines einmaligen Naturschauspiels, einer spektakulären Sehenswürdigkeit, eines gemütvollen Moments ist der erste Gedanke nicht mehr: «Das will ich geniessen!», sondern «Das muss ich posten!» Wer einen besonderen Augenblick nicht verpassen will, der blendet nicht alles aus, was vom Genuss ablenken könnte, sondern hält das Smartphone bereit. Verpassen bedeutet nicht abdrücken.
Kaum je erhalten wir Feriengrüsse, ohne dass sich im Zentrum nicht die Absender des Bildes zum Selfie gruppieren. Faktisch wird damit jedes Ferienbild zur Selbstinszenierung, bei der die Sehenswürdigkeit zur Kulisse und damit zur Nebensache wird. Diese Inszenierung ist von tiefgründiger Symbolik: Man dreht jenem Ort, für den man eine Reise unternommen hat, den Rücken zu, damit man sich selbst ins Bild bringen kann.
Das Selfie weitet somit den Blick nicht auf das Neue, Unbekannte, Exotische. Im Gegenteil, es verengt den Blick auf den Touristen, der meist das Gesehene noch nicht einmal kommentiert. Dieser Tourist reist also durch die Welt, um sich selbst zu fotografieren. Aus Weltoffenheit wird eine Blase. Das Subjekt zum Objekt. Standardisierung und damit Austauschbarkeit dieser «Reisebelege» sind so stark und die fotografische Qualität so überschaubar, dass man sie problemlos auch am heimischen Computer fabrizieren könnte.
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