Kirche aktuell

Preisgekrönte Maturaarbeit Stellung der Frau in Indien aus neuem Blickwinkel gesehen

Mara Spillmann gewinnt mit ihrer Maturaarbeit an den Freien Katholischen Schulen Zürich einen kantonalen Wettbewerb. Ihr Thema: Wie wirkt sich der Hinduismus in Indien auf die soziale Stellung der Frau aus?
27. Juni 2022 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Zu Beginn der Begegnung wirkt die junge Frau schüchtern und zurückhaltend, schon bald aber erzählt sie lebhaft von ihren Erfahrungen und Begegnungen mit Frauen in Indien. Die Beschäftigung mit ihrer Maturaarbeit zum Thema «Einfluss des Hinduismus auf die soziale Stellung der Frau im heutigen Indien» hat ihr neue Perspektiven für die Situation in Indien eröffnet – aber auch für ihre eigene Situation hier in der Schweiz. Arnold Landtwing hat die Maturandin für ein Interview getroffen.

Mara Spillmann. Foto: Arnold Landtwing
Mara Spillmann im Interview zu ihrer Maturaarbeit. Foto: Arnold Landtwing

Zuerst: Herzliche Gratulation, Du hast den Publikumspreis des Kantons für die beste Maturaarbeit gewonnen.

Danke, ich freue mich selber auch sehr über den Büchergutschein und den Barpreis. Die 500 Franken kann ich gut gebrauchen, wenn ich hoffentlich bald wieder nach Indien reise. Mit meiner Maturaarbeit durfte ich das Gymnasium Sumatra der Freien Katholischen Schulen Zürich am kantonalen Wettbewerb vertreten. Von gut 2500 Arbeiten im ganzen Kanton waren 54 für den Publikumspreis nominiert. Die vielen Stimmen aus Indien haben natürlich bei der Jury zuerst für kritische Rückfragen gesorgt – sie hätten ja auch als Fake-Stimmen gekauft sein können. Weil ich von meinem Auslandjahr in Mumbai viele indische Freunde und Freundinnen habe, die auf den Sozialen Medien wie Instagram sehr aktiv sind, habe ich mit über 1'200 Stimmen gewonnen.

Wie kommt eine Gymnasiastin aus Zürich auf die Idee, im indischen Mumbai als einer der grössten Metropolregionen der Welt ein Auslandjahr zu absolvieren?

Fremde Länder und andere Religionen haben mich schon seit jeher interessiert. Direkte Beziehungen nach Indien hatten wir schon über meinen Vater, der mit indischen Kollegen in den USA studiert hatte und mit ihnen in Kontakt geblieben war. Als ich mir dann ein Auslandjahr überlegte, war es naheliegend, eine internationale Schule in Mumbai zu suchen, ganz in der Nähe der befreundeten Familien.

Klassenfoto, DSB International School
Klassenfoto, DSB International School

In der Zusammenfassung Deiner Maturaarbeit schreibst Du, dass Du einen Perspektivenwechsel vollzogen hast. Erzähl uns davon!

Zunächst bestätigte ein Vergleich zwischen theoretischen Erkenntnissen aus der Sekundärliteratur und einer Auswertung von Interviews mit hinduistischen Frauen die These, dass der Hinduismus die Stellung der Frau in der Gesellschaft vor allem negativ beeinflusst. Der Grund dafür ist jedoch die patriarchalisch geprägte Denkweise in Indien. Es zeigt sich in vielen Gesprächen, dass religiöse Überlieferungen aus dem Hinduismus, welche die Frau ehren und wertschätzen, nicht bekannt sind. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich ausserdem, dass nicht nur die Frauen von Männern unterdrückt werden, sondern sie sich gegenseitig auch unter Druck setzen. Die älteren Frauen geben strenge Traditionen und Vorstellungen von Erziehung an die jüngere Generation weiter, oftmals unbewusst, weil es immer schon so war.

Und wie haben die Frauen darauf reagiert?

Sehr positiv! Im Gespräch öffneten sie sich, und es war ihnen dann ein grosses Anliegen, von ihren eigenen Ansichten und Erfahrungen zu erzählen. Und über religiöse Texte, welche Frauen Hochachtung entgegenbringen, haben sie sich gefreut.

Aus Deiner Erfahrung und Analyse: Sind in Indien Weiterentwicklungen in Bezug auf die Rolle und Stellung der Frau erkennbar?

Viele Frauen äussern den Wunsch nach Veränderungen. Diese passieren schon, verständlicherweise im urbanen Bereich schneller als in den ländlichen Gegenden. Schlüssel für eine Weiterentwicklung ist die Bildung.

Gibt es in Indien eine feministische Bewegung?

Eine neue Generation von gut gebildeten und selbstbewussten Frauen orientiert sich an neuen Werten und geht auch ins Ausland, um dort zu studieren oder zu leben. Hier verändert auch der Zugang zu Sozialen Medien in kurzer Zeit sehr viel.

Was lösen die Erkenntnisse bei Dir persönlich aus? Was siehst Du in Deinem Leben aus neuem Blickwinkel?

Ich habe mehr Verständnis für die Situation in Indien und sehe vieles anders, wenn ich nicht mehr die europäische Brille aufhabe. So habe ich viele Frauen angetroffen, die in ihrer Rolle als Mutter und Chefin im Haushalt völlig aufgehen und sehr glücklich sind.

Sonntäglicher Familienausflug in Chandigarh. Foto: Daniel Spillmann
Sonntäglicher Familienausflug in Chandigarh. Foto: Daniel Spillmann

Aus dieser Erfahrung in Indien bin ich meinen Eltern jetzt noch viel bewusster dankbar, dass sie mir eine gute Bildung ermöglicht haben und ich zu einer Persönlichkeit werden durfte, die selber und in Freiheit entscheiden kann.

Wie lautet Dein Fazit nach Indienaufenthalt und Maturaarbeit zu einem Frauenthema und Religion?

Statt sich einfach auf Traditionen zu verlassen, müssen wir uns vertieft mit ihnen auseinandersetzen und sie in die heutige Zeit hinein weiterentwickeln - egal, ob in Indien, in der Schweiz oder anderswo auf der Welt.

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Die Maturaarbeit von Mara Spillmann «Einfluss des Hinduismus auf die soziale Stellung der Frau im heutigen Indien» kann hier heruntergeladen werden.