Reichspogromnacht von 1938: Gedenken und Verpflichtung
Jüdinnen und Juden gedenken in diesen Tagen der „Reichspogromnacht“, in der vor 80 Jahren in der Nacht vom 9. auf den 10. November im nationalsozialistischen Deutschland der schreckliche Auftakt zur Shoah geschah, der versuchten Vernichtung des jüdischen Volkes. Auch die Synagoge von Gailingen, nur 45 Kilometer von Zürich entfernt, wurde zerstört.
Als Christen drücken wir den jüdischen Gemeinden in Zürich unser Mitgefühl aus. Wir trauern mit ihnen über das unermessliche Leid. Gemeinsam mit ihnen und allen Menschen guten Willens verpflichten wir uns, alles zu tun, dass ein solches Verbrechen nie wieder geschehen kann.
Als Christen blicken wir auch mit Scham zurück auf jene unheilvolle Zeit. Die christlichen Kirchen hätten damals viel mehr tun müssen und auch tun können, um jüdischen Flüchtlingen zu helfen, um die offizielle Schweiz zur Umkehr ihrer Politik der geschlossenen Grenzen zu bewegen. Auch wir Christen haben grosse Schuld auf uns geladen.
Umso bedeutsamer ist es, dass gerade in dieser Woche die im Schweizerischen Rat der Religionen vertretenen christlichen Kirchen gemeinsam mit den muslimischen Gemeinschaften und dem Israelitischen Gemeindebund eine Erklärung zur Flüchtlingsfrage veröffentlicht haben. Vereint im Glauben an einen menschenfreundlichen Gott verpflichten sich die Religionsgemeinschaften gemeinsam, sich für Flüchtlinge zu engagieren und appellieren an die Schweizerische Politik, ihrer Verantwortung angesichts von weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht wahrzunehmen.
Gemeinsam mit den Jüdinnen und Juden in Zürich erinnern wir uns an das Schreckliche, das vor 80 Jahren geschah. Dieses Gedenken soll uns heute Verpflichtung sein, „all unsere Kraft in Toleranz umzusetzen“, wie es gestern an der offiziellen Gedenkveranstaltung in der Synagoge Löwenstrasse ein Zeitzeuge ausdrückte.
Nur so sind unser Glaube an den Gott der Liebe und Gerechtigkeit echt und unsere Gebete wahrhaftig.
Zürich, 9. November 2018
Franziska Driessen-Reding, Synodalratspräsidentin
Josef Annen, Generalvikar für die Kantone Zürich und Glarus
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