Frauen in der Kirche Männerwirtschaft und das Schweigen der Frauen
Am 26. Oktober endete die dreiwöchige Bischofssynode zu den Problemen in Amazonien. Dieses Treffen von über 280 Bischöfen, Sachverständigen und Gesandten aus aller Welt machte die aktuelle Krise, in der sich die römisch-katholische Kirche derzeit befindet, ziemlich deutlich. Auf der einen Seite geht es zwingend um Menschheitsprobleme, den Klimawandel, die Ausbeutung natürlicher und menschlicher Ressourcen, von denen das Amazonasgebiet massiv betroffen ist, und auf der andern Seite wurden intensiv die innerkirchlichen Probleme des Priestermangels verhandelt. Diese wären kurzfristig und vergleichsweise leicht zu beheben im Vergleich zur Klimakatastrophe.
Neue Zugänge zum Weiheamt?
„Viri probati" und die Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern haben in der Synode zu regen Diskussionen Anlass gegeben. Positiv scheint das Signal zu sein, dass sich in diesen Debatten inzwischen eine breitere Offenheit bei den Klerikern findet. Trotzdem ist es natürlich auffällig, dass es wieder einmal reine Männersache war, über diese Fragen zu verhandeln. Eine Praxis, die sich bereits beim Apostel Paulus im 1. Korintherbrief findet und sich dann in den späteren sogenannten Pastoralbriefen, etwa im 1. Timotheusbrief, Ende des 2. Jahrhunderts, zuungunsten der Frauen verschärft:
„Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist, sollen die Frauen in den Versammlungen schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden: Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie etwas lernen wollen, dann sollen sie zu Hause ihre Männer fragen …“ (1 Korinther 14,33-35)
Was ist davon zu halten?
Im Kontext des ersten Korintherbriefs wirkt die Aussage wie ein Fremdkörper, lobt Paulus doch unmittelbar davor die Vielfalt der Charismen der Christen, also Frauen und Männern, in der Gemeinde von Korinth. Paulus weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass selbstverständlich die Geistesgaben und Fähigkeiten der Christinnen und Christen gleichwertig sind. Das maßgebende Kriterium ist, ob ein Charisma wie Prophetie, Lehre, Offenbarung oder gar Zungenrede dem Aufbau der Gemeinde dient.
Und auch zu anderen Paulustexten steht die pauschale Marginalisierung der Frauen in Widerspruch, z.B. Galater 3,28:
"Da gibt es nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Weib. Denn ihr alle seid einer in Christus Jesus."
Ausserdem steht der harte, apodiktische Stil im Kontrast zu seinen ansonsten doch eher abwägenden Aussagen über die Vielzahl und Verschiedenheit der menschlichen Charismen.
Ich gehe hier nicht darauf ein, ob es tatsächlich Paulus selber war, der diesen Widerspruch formuliert hat, oder jene frauendiskriminierenden Sätze nachträglich eingeschoben wurden. In späteren, nicht von Paulus stammenden Briefen, wie im 1. Timotheusbrief 2,12, wird diese Haltung noch verschärft:
„Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht; sie soll sich still verhalten.“
Der politisch-gesellschaftliche Kontext
Für die Christen hat sich spätestens seit dem Jüdisch-römischen Krieg nach dem Jahr 70 ihre Position in der römischen Gesellschaft verschlechtert, die Gefahr von Verfolgung und Diskriminierung war allgegenwärtig. Wenn Paulus also schreibt, die Frauen hätten in den kirchlichen Versammlungen zu schweigen, weil das auch im Gesetz stehe, dann ist damit nicht die Tora gemeint, das Gesetz Gottes . Solche Aussagen lassen sich nämlich in der Tora nicht finden. Mit „Gesetz“ wird hier vielmehr die gesellschaftliche Gewohnheit gemeint sein. Es geht in diesen frauendiskriminierenden Aussagen wohl um Anpassung an das gesellschaftlich-patriarchalisch Grundverständnis im hellenistisch-römischen Zeitgeist.
Paulus steht so im Spannungsfeld von Anpassung und Widerstand. Die Orientierung an einem gekreuzigten Messias wurde zunehmend gefährlicher. Im Galaterbrief lassen sich Heidenchristen beschneiden, um politische Sicherheit zu gewinnen (Galater 6,12: „…damit sie wegen des Kreuzes Christi nicht verfolgt werden.“).
Es stellt sich die Frage:
Wenn es für eine umfassende Verkündigung des Evangeliums auf der Basis gesellschaftlicher Verständigung gewisser Anpassungen (Inkulturation) bedarf, um sich nicht abzuschotten und selbst aus der Mehrheits-Gesellschaft auszugrenzen, wie weit dürfen solche gehen?
Heute stellt sich die Herausforderung für die Kirche genau umgekehrt. Heute steht eine männerdominierte Kirche mindestens hier in Mitteleuropa im Abseits, wenn sie Frauen weiterhin im Horizont von Menschenrechten, Emanzipation und Gleichberechtigung diese Gleichstellung innerhalb der Kirche verweigert. Wenn aber in der Anfangsgeschichte der Christen innerhalb einer strikt patriarchalischen Gesellschaft eine gewisse Zurückstellung von Frauen gesellschaftlich opportun oder gar nötig gewesen sein sollte, um das Christentum in einer solchen Situation überlebensfähig zu machen, ist es dann umgekehrt heute nicht absolut notwendig, Frauen innerhalb der Kirche den Status und den Platz einzuräumen, der ihnen ansonsten gesellschaftlich auch zusteht?
Die Marginalisierung der Frauen in der Kirche wird heute in unseren Breitengraden von den meisten Menschen innerhalb und ausserhalb der Kirche nicht mehr verstanden. Der Auftrag, das Evangelium weiterhin glaubwürdig verkünden und leben zu können, wird damit immer schwieriger. Die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche mit ihren Ämtern aber dient dem Aufbau der Gemeinde. Dem einzig massgeblichen Kriterium, das auch schon Paulus der Gemeinde in Korinth predigte.
Bernd Ruhe, promovierter Theologe und Pfarreileiter in Mörschwil SG, Vizepräsident des Bibelwerks St. Gallen
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