Bei Gender gehts nicht nur um Frauen Spezielle Seelsorge für Männer?
Männer sind Männer. Punkt. Männer haben das Sagen. Bis 1971 bei allen Abstimmungen. Männer sind das Haupt der Familie. Jeden Fall in der Schweiz. Bis 1984 das Ehegesetz endlich geändert wurde. Männer lösen alle Probleme allein. Auch in den Kirchen hat sich diese Männlichkeit gut eingerichtet. Kleriker und Priester, Pfarrer, auch evangelische, haben alles im Griff. Da braucht es keine Männerseelsorge. Da müssten sich ja auch Kirchenmänner mit ihrer eigenen Männlichkeit und Körperlichkeit auseinandersetzen. Jedenfalls in der Schweiz.
In Deutschland ist das anders. Nach zwei Kriegen, die Männer mit dem Segen der meisten Kirchenleitungen angezettelt, durchgestanden und verloren haben, war die vorherrschende Männlichkeit ad absurdum geführt oder zumindest brüchig geworden. Heute gibt es in allen deutschen Diözesen, landauf und landab, Männerbeauftragte und Angebote für Männer und Väter.
Gewiss ist auch dort nur dank der (feministischen) Frauenforschung in den Sozialwissenschaften die Auseinandersetzung mit dem Mannsein angestossen worden. Und da in fast allen Disziplinen der Theologie die Sozialwissenschaften kaum zur Kenntnis genommen werden, gibt es, ausser einigen wenigen Pionieren, kaum Theologen, die eine gendersensible Bibelwissenschaft oder Pastoral aus männlicher Perspektive betreiben. In den Kirchen spielt Sex nur in der Moraltheologie eine Rolle. Gender ist nicht nur im Vatikan ein Unwort. Nicht einmal die Missbrauchsskandale bewirken ein Umdenken beim Thema Geschlechtlichkeit und Körperlichkeit.
Neue Väter in der Kirche
Also lieber weiterhin von abstrakten Menschen sprechen. Nicht nur in den Predigten. Konkrete Lebensverhältnisse von Frauen und Männern, Mädchen und Jungs in den Blick zu nehmen, blieb in meiner mehr als 30-jährigen Wahrnehmung der pastoralen Wirklichkeit einigen wenigen in der Jugendarbeit oder in der Gefängnisseelsorge vorbehalten. Und einigen Exotinnen und Exoten, die sich in feministischen Nischen oder in der Männerbewegung dazu die Sensibilität und das nötige Rüstzeug geholt haben. Denn wer etwas genauer hinsieht, findet da und dort Männergruppen und Angebote für neue Väter auch in kirchlichen Kontexten. Und es gibt auch brauchbare und erprobte Literatur dazu. Im Buch «Männerseelsorge» von Kuratle/Morgenthaler z.B. werden Erfahrungen aus der Männerarbeit in kirchlichen Kontexten auch theologisch reflektiert. Sie schreiben u.a. «In direkter Identifikation mit einem männlichen Erlöser können Männer nicht Männer werden. Dies wäre ein Rückschritt hinter feministisches, gendertheoretisches, aber auch männersensibles Denken. … Es ist das Anderssein dieses Mannes, nicht sein Mannsein.» Diesen Spuren von anderem Mannsein in biblischen Texten nachzugehen lohnt sich. Denn trotz Säkularisierung prägen religiös verbrämte Männlichkeitsideale wie «Gott Vater, der Allmächtige» weiter unsere Bilder von Männlichkeit. Da braucht es neue Räume, in denen Männer auch über ihre religiösen Erfahrungen ins Gespräch kommen. Und das ist wohl eher in einem kraftvollen Miteinander an einem Feuer oder an einem Bergbach möglich als in einem sterilen Sitzungszimmer. Eher in einem Kreis von Gleichgestellten als in einem Vortragssaal. Deshalb gibt es nicht nur in Deutschland viele Outdoor-Angebote für Männer und Väter mit ihren Kindern.
Zeit für Männerarbeit
Deshalb ist es an der Zeit Männer, die sich für Männerarbeit auch in den Kirchen interessieren, an einer Tagung zusammen zu bringen: Männer aus kirchlichen Arbeitsfeldern wie Jugendarbeit, Pastoral und Seelsorge in Spitälern oder in Beratungsstellen. Das will die geplante Impulstagung vom 18. Mai in Aarau, die auch von der katholischen Kirche Zürich unterstützt wird. Männer aus den reformierten und den katholischen Landeskirchen gemeinsam mit maenner.ch, dem Dachverband Schweizer Männer-& Väterorganisationen, laden ein zum Thema «Männerarbeit und Männerseelsorge: Was es gibt -was es braucht». Damit in der Schweiz eine gendersensible Pastoral keine Mauerblümchenexistenz mehr führen muss. Nichts gegen Mauerblümchen. Sie können auch Kirchenmauern sprengen. Besonders wenn sie so brüchig sind wie gerade jetzt!
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