Apothekerin an der Europaallee «Kirchen sollen Benachteiligte ins Zentrum stellen»
In ihrer Apotheke an der Europaallee in Zürich unterstützt sie Benachteiligte mit Salben, Tees und Medikamenten und bietet kostenlose Coronatests und Impfungen an. Natalia Blarer Gnehm: «Ich wollte als privilegierte Person meinen Beitrag in zweierlei Hinsicht leisten. Konkret sollen randständige Menschen in der Apotheke, die ich führe, ein offenes Ohr haben, wie alle anderen Kundinnen und Kunden auch. Und ich möchte darauf aufmerksam machen, dass wir alle eine Verantwortung haben, hinsehen und hinhören müssen.»
«Ich habe das grosse Leid von randständigen Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung gesehen und musste mich einfach engagieren.»
Randständigen eine Stimme geben
Hier hakt die Apothekerin ein, die sich als Dienstleisterin versteht und Hilfesuchende gerne berät und das vorschlägt, was ihnen wirklich etwas bringt: «Die Rolle der Kirchen könnte sein, dass sie aktiv auf Benachteiligte zugeht, mit ihnen spricht, ihnen zuhört und sie einfach akzeptiert, wie sie sind. Die respektvolle Begegnung mit diesen Menschen lässt Vertrauen aufbauen und Mut wachsen, die notwendige Hilfe angstfrei anzunehmen.»
Zusätzlich hätten die Kirchen auch die Aufgabe, das Augenmerk der eigenen Klientel und der Gesellschaft auf jene Menschen zu richten, die weniger privilegiert sind. Sie sollten verstärkt auf das Leid auf der Strasse aufmerksam machen, faktenbasiert darüber informieren und so Verständnis und Eigenverantwortung der Privilegierten fördern.
Vertrauensvolle, unkomplizierte Hilfe
Natalia Blarer Gnehm steht auch in engem Kontakt mit Schwester Ariane und Pfarrer Karl Wolf vom Verein Incontro. Sie ist überzeugt, dass diese in einer sehr schwierigen Situation Unglaubliches geleistet haben und leisten: «Die Lage ist für viele Menschen wirklich bitter. Die beiden haben mit ihrer Präsenz auf der Strasse etwas Wichtiges geschafft: Es hat sich bei obdachlosen, suchtkranken und asylsuchenden Menschen, bei Sans Papiers sowie Frauen und Männern aus dem Milieu herumgesprochen, dass sie hier vertrauensvoll einfache, unkomplizierte Hilfe erhalten. Aktuell ist alles sehr gut organisiert, braucht aber sehr viel Durchhaltevermögen.»
Lehren aus der Pandemie
Angesprochen auf Lehren aus der Pandemie, vermisst die Apothekerin in unserer Gesellschaft Solidarität und Demut:
- «Solidarisch sein heisst, dass ich mich als privilegierte Person zurücknehme, den Blick schärfe für jene, denen es viel weniger gut geht und verantwortungsvoll handle. Konkrete Solidarität bedeutet auch, dass ich mich impfen lasse. Denn mit der Impfung schütze ich nicht nur mich, sondern auch mein Gegenüber.»
- «Demut bedeutet für mich, dass ich dankbar bin für alles, was ich bin und habe und dass ich bereit bin zu lernen, bescheidener zu leben und an andere zu denken.»
Das ganze Interview mit der Apothekerin lesen Sie in der letzten Ausgabe des Informationsblatts. Dieses hat nach 54 Jahren ausgedient, das neue Magazin «credo» für Mitarbeitende, Behördenmitglieder und Freiwillige erscheint im Herbst.
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