Kirche aktuell

Kirchen als touristische Hotspots Wie Kultur und Spiritualität das Reisen prägen

Prorektor Theologische Hochschule Chur
Christian Cebulj

Professor für Religionspädagogik und Katechetik und Projektleiter Religion - Kultur - Tourismus

Christian Cebulj
Sinnsuche und Sehnsucht nach dem Paradies: Religion und Reisen haben viele Bezüge. Eine Tagung in Zürich geht der Frage nach, wie das Wertschöpfungspotenzial des Kulturtourismus intensiver genutzt werden kann. Christian Cebulj, Theologe der Hochschule Chur, ist einer der Initiatoren.
04. Juni 2024

Religion und Reisen haben gemeinsame Wurzeln. Schon in den ältesten antiken Reisegeschichten der europäischen Kulturgeschichte schreiben Menschen sich das Fernweh von der Seele. Dabei dienen Texte wie das Gilgamesch-Epos, die Odyssee oder die Aeneis weniger der Unterhaltung als vielmehr der Sinn- und Identitätsstiftung, die darauf abzielen, die Sehnsucht nach dem Paradies und die Flüchtigkeit des Lebens zu beschreiben.

Später führen die Wallfahrten und Pilgerreisen des Mittelalters dazu, dass Religion und Glaube nicht nur geistig, sondern auch zeitlich, räumlich und materiell erfahrbar werden. Das Reisen ermöglicht damals wie heute Momente des Ausseralltäglichen, wodurch Religion und Tourismus aufeinander verwiesen sind. Neben einem religiös und spirituell motivierten Tourismus, der Phänomene wie Klosterretreats und Besuche sogenannter auratischer Orte umfasst, spielt heute das weite Feld des Religionstourismus eine wichtige Rolle: Kirchenräume verzeichnen auch ausserhalb der Gottesdienste ein steigendes touristisches Interesse.

Von Neugier bis zur religiösen Dimension

Die Besichtigung von Kathedralen und Klöstern rangiert ganz oben auf der Beliebtheitsskala kultureller Urlaubsaktivitäten. Religion erfährt durch den Tourismus nicht nur neue Relevanz, sondern gerät dabei auch in ein ihr zunächst fremdes Kommunikationsfeld. Für die praktisch-theologische Forschung sind dabei Phänomene der Transformation von Religion interessant, wie sie etwa touristisch genutzte religiöse Orte durchlaufen. Im Tourismus zeigen sich u.a. Praktiken von Materialität und Performanz, welche die Forschungsfrage nach sich ziehen, wie sich ausgehend von touristischer Neugier die ästhetischen, affektiven, kognitiven und religiösen Dimensionen des Reisens durch Bildung erschliessen, vertiefen und verbinden lassen.

Klöster sind Top-Destinationen

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Daraus ergeben sich zahlreiche Schnittstellen zwischen Kirchen und Tourismus: Das Pilgern boomt, Citykirchen und Bergkapellen laden zum Verweilen ein, Kathedralen und Klöster gehören zu den Hauptattraktionen des Kulturtourismus. In den Ferien und in der Freizeit nehmen sich viele Menschen nicht nur Zeit für Bildung, sondern auch für Sinnfragen und Spiritualität. Offenbar sind das Bereiche, in denen sie den Kirchen nach wie vor eine hohe Kompetenz zuschreiben (vgl. dazu Cebulj, Christian/Schlag, Thomas: Zwischen Kreuzfahrt und Klosterküche. Formen kirchlicher Präsenz im Tourismus. Zürich 2021). Obwohl Kirchen und Klöster zu den Top-Destinationen des Kulturtourismus in der Schweiz zählen, ist bisher jedoch wenig erforscht, was die Tourismustrends für die Kirchen bedeuten. Das hängt damit zusammen, dass die Beschäftigung mit Tourismus-Phänomenen im Bereich der praktisch-theologischen Forschung und Kirchenentwicklung bisher eher randständiger Natur ist.

Tagung in der Paulus Akademie

Auf diese Forschungslücke versucht das Interdisziplinäre Forschungsprojekt «Religion – Kultur – Tourismus» der Theologischen Hochschule Chur zu antworten. Das Projekt beleuchtet die Chancen und Grenzen der Zusammenarbeit von Kirchen und Klöstern mit dem Kulturtourismus. Wir empfehlen, das Wertschätzungs- wie das Wertschöpfungspotenzial des Kulturtourismus künftig viel intensiver zu nutzen als es bisher geschieht.

Diese Fragen werden auch diskutiert auf der Netzwerktagung «Zwischen Kultur und Spiritualität: Religion als Phänomen im Tourismus», die am Mittwoch,5. Juni in der Paulus Akademie Zürich stattfindet. Wir laden Sie herzlich zu unserer Tagung ein. Alle Infos mit Anmeldeformular zur Tagung sind verfügbar auf der Tagungsseite.

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