Kirche aktuell

Interview-Serie Kirche leben in Corona-Zeiten - mit Martin Ruhwinkel

Wir fragen kirchlich engagierte Menschen, wie sich ihr Leben und ihre Arbeit im Lockdown verändert haben. Und was nach Corona davon bleibt. Heute mit Martin Ruhwinkel, Leiter Abteilung Diakonie bei Caritas Zürich und Mitglied des kantonalen Seelsorgerats.
04. Juni 2020 Katholische Kirche im Kanton Zürich

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Was war für Sie das einschneidenste Ereignis seit dem Lockdown?

Begegnungen haben den Charakter von potenzieller Gefährdung bekommen.  Zum ersten Mal wurde mir das bewusst, als mein Sohn mir mitgeteilt hat, dass wir uns wegen seinem Einsatz im Spital wenigstens zwei Wochen lang nicht sehen können. Es sind dann mehr als zwei Wochen daraus geworden.

Wie gehen Sie persönlich mit der neuen Situation um?

Die innere Balance aufrecht zu erhalten, ist eine Herausforderung und braucht einen Blick für das Positive. Es fordert meinen «gnadenlosen Optimismus», wie es ein Kollege mal formuliert hat.  Festzustellen, dass der Einsatz für Caritas Zürich sich lohnt, tut gut.  Ganz wichtig sind Momente der Entspannung und der Erholung. Vor sechs Wochen hätte ich noch nicht gedacht, wie sehr ich längere Spaziergänge in der Natur geniessen würde.

Ihr schönstes Erlebnis in der Corona-Zeit?

Corona-Zeit hin oder her: Mein Highligt ist, Grossvater geworden zu sein. Und beim Einsatz im Caritas-Markt in Winterthur durfte ich erleben, wie dankbar armutsbetroffene Menschen dafür sind, dass wir die Märkte für sie offenhalten und sie weiterhin ihre Lebensmittel preiswert einkaufen können.

Hat Corona die Kirche verändert?

Das kann ich beim besten Willen nicht beurteilen. Was ich sehe ist, dass die Kirchen alles daran setzten, um den Kontakt von Mensch zu Mensch aufrecht zu erhalten und da zu sein, wo es Hilfe und Seelsorge braucht. Es freut mich, wie vielfältig sich Pfarreien, kirchliche Organisationen und Netzwerke, aber auch Einzelpersonen für Menschen einsetzen, die besonders von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen sind.

Was soll nach dem Ausnahmezustand für das kirchliche Leben bewahrt werden?

Die bestehenden Netzwerke innerhalb der Kirche und darüber hinaus haben sich in dieser schwierigen Zeit bewährt und neue wurden geknüpft. Die Kontakte sind direkter und noch effizienter geworden. Der gemeinsame Nenner lautet: Solidarität und Nächstenliebe. Ich wünsche mir, dass vieles davon in die Zukunft mitgenommen wird.

Was haben Sie persönlich aus der Corona-Krise gelernt?

Vernunft und Gefühl widersprechen sich bei mir. Ich weiss, dass ich mit meinem Verhalten durch Homeoffice und Abstandhalten einen Beitrag in der aktuellen Situation leisten kann. Aber eigentlich will ich das Leben mehr und direkter spüren. Das auszuhalten ist eine rechte Herausforderung.

Hat der Lockdown neben all der bedrückenden Seiten auch etwas Gutes?

Ich hoffe, dass der Lockdown einmalig bleibt. Mich beeindruckt, wie Menschen in diesen Tagen und Wochen füreinander Verantwortung übernommen haben.


Mit diesem Beitrag schliesst die Reihe der Corona-Interviews. Alle Interviews, Impulse und Fundstücke finden Sie kompakt in unserem Corona-Dossier.