Kirche aktuell

Interview-Reihe Kirche leben in Corona-Zeiten - mit Vivien Siemes

Wir fragen kirchlich engagierte Menschen, wie sich ihr Leben und ihre Arbeit im Lockdown verändert haben. Und was nach Corona davon bleibt. Heute mit Vivien Siemes, Religionspädagogin in der Pfarrei Guthirt Zürich und engagierte Kinder- und Jugendchorleiterin.
05. Mai 2020 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Vivien Siemes
Vivien Siemes

 

Was war für Sie das einschneidenste Ereignis seit dem Lockdown?

Vielleicht der Moment, als der Lockdown vom Bundesrat verkündet wurde. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt eine recht volle Agenda, sowohl beruflich als auch vor allem privat, und auf einmal wurden diese ganzen Termine obsolet. «Zeit haben und gestalten» wurde eine neue, lange nicht mehr erlebte Grösse für mich.

 

Wie gehen Sie persönlich mit der neuen Situation um?

Ich versuche prinzipiell eine positive Haltung zu haben, da ich an den Einschränkungen nichts ändern kann. Ich bemühe mich diese Haltung auch meinen Kindern oder den Unterrichtsfamilien mitzugeben. Ebenso benutze ich für mich neue Kanäle um Gemeinschaft zu stiften und zu leben. Ich schreibe vermehrt wieder Karten und Briefe, telefoniere, nutze digitale Plattformen um mit Anderen bspw. zu singen oder auch einen Spieleabend mit Freunden zu machen. Es ist zwar alles anders, aber es führt auch zu einer neuen Kreativität. Das schätze ich sehr.

 

Ihr schönstes Erlebnis in der Corona-Zeit?

Da gibt es einige. Schöne Momente in meiner Familie und in der Nachbarschaft. Berührende Begegnungen und Rückmeldungen mit Menschen auf der Strasse, also auf Abstand, beim Verteilen von unseren Osterkerzen. Die Gottesdienste in der Karwoche und vor allem die Osternacht in unserem Garten mit einem Feuer im Grill, von den Kindern selbstgestalteten Osterkerzen, viel Musik und einer wohltuenden Stimmung.

 

Hat Corona die Kirche verändert?

Corona hat auf jeden Fall das Potential Kirche zu verändern, bzw Menschen zu verändern. Viele von uns spüren jetzt sehr stark, wie wichtig uns Gemeinschaft ist. Es gibt Raum kreativ zu werden, diese Gemeinschaft zu leben - anders als normal. Es gibt Raum authentisch Jesu Botschaft zu leben, für andere da zu sein. Auch über die Generationen und gesellschaftlichen Grenzen hinweg. Das kann man vor Ort in den Pfarreien vielerorts erkennen, bspw. Schüler*innen basteln für die Alters- und Pflegezentren, machen Einkaufsdienste, aber auch natürlich stark in den pfarreiunabhängigen Projekten bspw von Schwester Ariane oder auch dem Projekt «Junge Kirche» von Simon Brechbühler.

 

Was soll nach dem Ausnahmezustand für das kirchliche Leben bewahrt werden?

Tatsächlich der solidarische Gedanke: Gott ist mit uns – Gott ist solidarisch – wir sind solidarisch. Wenn dies spürbar wird, dass dies nicht nur Worte sind, sondern gelebt wird, dann empfinde ich eine grosse Glaubwürdigkeit der Kirche.

 

Was haben Sie persönlich aus der Corona-Krise gelernt?

Dingen ihren Lauf zu lassen. Gelassenheit. Und ganz praktisch: Neue virtuelle Möglichkeiten der «Begegnung».

 

Hat der Lockdown neben all der bedrückenden Seiten auch etwas Gutes?

Zu spüren, wie wichtig und notwendig Gemeinschaft und Begegnung für uns ist.