Synodaler Weg in Deutschland Impressionen vom Synodalen Weg in Deutschland
Für mich beginnt der synodale Weg auf dem Weg vom Bahnhof zum Dom. Mich beeindruckt einerseits die bekannte Skyline Frankfurts mit viel Beton und Glas. Wenig später führt der Weg zum Dom an mittelalterlichen Fachwerkhäusern vorbei. Da begegnen sich auf engem Raum ganz unterschiedliche Welten. Mich erinnert das an die Herausforderung für die Kirche(n), ihre Botschaft in unterschiedlichsten Kontexten glaubwürdig zur Geltung zu bringen.
Singen, beten, fragen
Am Eingang zum Dom werden die Mitglieder der Synodalversammlung mit Liedern und Gebeten empfangen. Die Frauen von Maria 2.0 singen das Magnificat von Taizé. Auf ihrem Transparent steht: «Frauen, worauf wartet ihr noch?» Eine Gruppe traditionsverbundener Katholikinnen und Katholiken beten eine Litanei. Ich verfasse eine erste Twitter-Nachricht: «Der synodale Weg beginnt. Man betet und singt von allen Seiten». Vielfalt und Gegensätze also auch innerhalb der Kirche. Das kann eine Chance sein – kann es aber auch noch schwieriger machen, glaubwürdig Kirche zu sein in verschiedenen Welten.
Dann folgt der Einzug der Mitglieder der Synodalversammlung: Wenige Konzelebranten, die grosse Mehrheit der Kardinäle, Erz-, Diözesan- und Weihbischöfe nehmen mit den Laien in den Bänken Platz – ohne Mitra und Stab, ohne Messgewand und ohne Sitzordnung.
Dem feierlichen Gottesdienst folgen persönliche Zeugnisse von Mitgliedern der Synodalversammlung: Laien und Geweihte, Ordensfrauen und Bischöfe aus verschiedenen Gegenden und mit verschiedenen Ansichten.
Regeln vereinbaren
Am ersten Arbeitstag geht es hauptsächlich darum, den Synodalen Weg ganz konkret auf den Weg zu bringen: Die Geschäftsordnung und zahlreiche Änderungsanträge werden diskutiert, die vier thematischen Foren müssen besetzt werden. Unterschiedliche Vorstellungen von Synodalität und gemeinsamer Entscheidungsfindung prallen aufeinander. Die einen wollen «Einmütigkeit», was dazu führen würde, dass drei von 35 Mitgliedern eines Forums verhindern könnten, dass ein Dokument der Synodalversammlung überhaupt vorgelegt würde. Aber die grosse Mehrheit will freimütige Diskussion und keine Sperrminoritäten: Die umstrittenen Fragen sollen ausgesprochen werden, das Ringen um Lösungen gehört dazu. Gelegentlich gibt es einen geistlichen «EinHalt». Beratung und Besinnung, Arbeiten und Beten, Diskutieren und Hören gehören zusammen. Das unterscheidet Synodalität von Demokratie.
Zuhören
In den ersten inhaltlichen Debatten zu den vier Themen «Macht», «Priesterliche Existenz», «Frauen» und «Sexualität» melden sich unterschiedlichste Stimmen zu Wort. Auch Bischöfe sagen offen, was sie denken und machen in aller Öffentlichkeit sichtbar, dass es innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz sehr unterschiedliche Auffassungen gibt. Manche Statements, vor allem von jüngeren Menschen, sind sehr persönlich und machen deutlich, wie verletzend es für sie ist, in einer Kirche, deren Botschaft sie überzeugt, keinen zu Platz haben, zum Beispiel weil ihre sexuelle Orientierung «nicht vorgesehen» ist.
Es beeindruckt mich, dass die rund 70 Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz die ganze Zeit dabei sind, dank alphabetischer Sitzordnung bunt gemischt mit anderen. Ihre Präsenz dokumentiert, welche Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit dieser Prozess für sie hat. Zudem müssen sie so verschiedenste Meinungen und Forderungen aushalten. In einem Pausengespräch sagt mir Kardinal Marx: «Im Rom versteht keiner, dass die Leute so reden können – aber hier ist das der Normalfall.» Und ergänzt: «Ich muss hier vor allem zuhören».
Ich realisiere am Ende der Versammlung: Ich war nun innerhalb von zwei Tagen über viel längere Zeit mit der Deutschen Bischofskonferenz im selben Raum und mit den gleichen Fragen befasst, als während fast 20 Jahren Arbeit in der RKZ mit unserer Schweizer Bischofskonferenz. In Sachen Synodalität können wir noch dazulernen.
Anfang eines Anfangs
Für eine «Bilanz» ist es zu früh. Es ist absehbar, dass der Weg schwierig wird. Es gibt Stimmen, die ihn vehement ablehnen, weil er mit der hierarchischen Verfassung der Kirche inkompatibel sei. Schon wenige Minuten nach Schluss der Beratungen meldet sich Kardinal Rainer Maria Woelki am Domradio zu Wort: «Alle meine Befürchtungen sind eingetreten.» Seine Kritik ist betrüblich und ungerecht.
Andere kritisieren den Synodalen Weg, weil die Mitwirkungsrechte der Laien ungenügend seien und die Beschlüsse der Synodalversammlung nicht bindend sind. So meint z.B. der Ethiker Daniel Bogner: «Man kann nicht von der gleichen Würde aller Getauften sprechen, die Menschen zur engagierten Mitarbeit einladen, und sie dann unter ein derartiges Fallbeil der Willkürlichkeit stellen.» Aus der Synodalversammlung selbst habe ich den Eindruck gewonnen, dass eine grosse Zahl der Teilnehmenden davon überzeugt ist, dass die römisch-katholische Kirche in Deutschland gegenwärtig keine andere Chance als diesen Synodalen Weg hat, sich als Institution weiter zu entwickeln und die tiefe Krise der Glaubwürdigkeit zu überwinden. Dafür braucht es sowohl einen «real-utopischen Blick in die Zukunft» (Gisbert Greshake) als auch neue Aufbrüche und Bewegungen, die unabhängig von den Strukturen Veränderungen nicht nur einfordern, sondern auch erproben.
Wenn die Anzahl, die Hoffnung wider alle Hoffnung und die Hartnäckigkeit jener gross genug ist, die «raus aus der Komfortzone» wollen, wie es auf einem Plakat beim Ausgang heisst, wird rückblickend vielleicht zutreffen, was Karl Rahner am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils von diesem viel grösseren weltkirchlichen Erneuerungsprozess sagte: Es sei nur, aber immerhin «der Anfang eines Anfangs».
Diesem Beitrag ist eine gekürzte Fassung. Der integrale Text von Daniel Kosch ist unter https://rkz.ch/aktuell publiziert.
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