Katherina von Zimmern Von der Äbtissin zur Präsidentin
Die Erinnerung an Katharina von Zimmern ist für uns Zürcher Katholikinnen und Katholiken ambivalent: Einerseits erfüllt uns Stolz auf die grossartige Kultur und Tradition, die sie in ihrer Funktion als Äbtissin und Stadtherrin verkörperte – und gleichzeitig Trauer darüber, dass diese Tradition mit ihrem Abdanken auch gänzlich verschwand, dass mit ihr in Zürich die katholische Tradition aufhörte zu existieren.
Traurig ist natürlich auch der Umstand, dass mit der Abdankung der Äbtissin die Frauen im Kanton Zürich für hunderte von Jahren aus dem Licht der Öffentlichkeit ins Private des (klein-)bürgerlichen Familienideals abgedrängt wurden. 400 Jahre dauerte es, bis die ersten reformierten Theologinnen zum Pfarrdienst ordiniert wurden, fast 500 Jahre bis wieder eine Frau Stadtpräsidentin von Zürich wurde und bei uns Katholiken gibt es auch nach 500 Jahren noch keine volle Gleichberechtigung. Immerhin, ich stehe hier heute als Präsidentin des Synodalrats. Wenigstens hier sind wir der reformierten Schwesterkirche eine «kurze» Nasenlänge voraus.
Als Verantwortungsträgerin in der römisch-katholischen Kirche Zürichs fühle ich mich Katharina von Zimmern speziell verbunden. Wie sie stehen auch heute viele Frauen in unserer Kirche vor dem Dilemma der Einsicht in dringendst anstehende Reformschritte einerseits und der Reformunwillig- oder Unfähigkeit der römischen Amtskirche. Heute wie damals geht es um eine Änderung der Machtstrukturen in der Kirche. Und heute wie damals wird mit Verweis auf die Tradition jede Änderung abgeblockt. Als ob die Tradition per se von Gott gegeben sei und es nicht auch ganz andere Traditionen gegeben hätte. Denken wir nur an die Apostelin Junia, das Gemeindeleiter-Ehepaar Priska und Aquila, die Diakonin Phöbe – bis hin zur Äbtissin Katharina.
Katharina ging ihren eigenen Weg und mit ihr empfanden ungezählte Ordensschwestern und -brüder den Auszug aus der zu eng gewordenen Klosterwelt als Befreiung. Die Reformation fiel ja nicht vom Himmel, sondern wuchs aus dem Innern der Kirche heraus – und führte schliesslich zur Spaltung.
Heute sehe ich weniger die Gefahr einer Spaltung oder der Gründung einer neuen Kirche. Heute wenden sich Frauen und Männer enttäuscht ab und leben ihre Spiritualität im privaten Rahmen. Damit einher geht aber ein besorgniserregender Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche bei grossen Teilen der Bevölkerung. Wenn sich in der Frauenfrage bei meiner Kirche nicht bald etwas tut, sind wir für viele und gerade auch junge Menschen schlicht keine relevante Grösse mehr. Als Kirchenfrau und Mutter, aber auch als Bürgerin kann und will ich das nicht akzeptieren. Denn mit der Schwächung der Kirchen geht auch die Schwächung der niederschwelligen Solidar-Netzwerke einher. Ohne Kirchen wird unsere Welt ärmer und kälter.
Ich bin deshalb sehr froh, dass das heute vorgestellte Werk uns neu aufrüttelt, die Rolle der Frauen in unserer kirchlichen Tradition kritisch zu hinterfragen und wie damals auch heute neue Wege zu gehen. Auch wenn dafür Traditionen auf den Kopf gestellt werden müssen. Manchmal muss man halt die Perspektive wechseln, um klarer zu sehen.
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