Erinnerungen an Doktorvater Leo Karrer Gelebte Hoffnung und abgewürgter Aufbruch
Leo Karrer - oft, wenn ich Blockflöte übe, kommt er mir in den Sinn, Leo, der Klarinettist in der Harmoniemusik. Nie hörte ich ihn spielen, aber ich höre ihn noch sagen, dass sein Sohn viel besser spiele als er. Ob das stimmt oder nicht - zweierlei wird deutlich: Bescheidenheit und Familiensinn. Leo Karrer erwähnte seine Familie oft. Das Leben hat die Weichen richtig gestellt.
Jedoch waren da noch weitere Familien:
Die Hochschule
Als Hochschullehrer war Leo Karrer ein ausgesprochener Teammensch. So unspektakulär seine Vorlesungen waren, so spannend wurden die häufigen Lehrveranstaltungen, für die er Fachleute beizog. Da habe ich als Assistent gelernt, nicht dem Professor an den Lippen zu hängen, sondern mich auf die unterschiedlichsten Menschen, von der diakonischen Kämpferin bis zum künftigen Kardinal, einzulassen und darin meinen eigenen Weg zu finden - Beeinflussung lag ihm nämlich gar nicht. Sein Anliegen war immer eine menschennahe, emanzipative Pastoral.
Film und Medien
Auch in der internationalen Forschungsgruppe „Film und Theologie“ (anfangs „Film und Spiritualität“) ging es ihm um den Menschen, von dessen Existenz Filme und Fernsehserien erzählen. Das Filmprojekt passte aber auch zu ihm, weil er mit dem Thema Medien und Kommunikation leidenschaftlich verbunden war. Nicht um damit zu blenden, sondern um für die Kirche Glaubwürdigkeit zu erreichen und auch Harmonie. Deshalb engagierte er sich viele Jahre nicht nur unter Fachtheologen, sondern auch in den Strukturen der Medienarbeit der Schweizer Kirche.
Gelebte und geerdete Kirche
Im Schweizer Weg der katholischen Kirche in seiner ganzen Vielfalt und Uneinheitlichkeit sah er den Entwurf für gelebte und geerdete Kirche. „Katholische Kirche Schweiz. Der schwierige Weg in die Zukunft“ (1991) blieb seine umfangreichste Schrift, die erste die ich gegenlesen durfte. In ihr spielt der als Bürger und Bürgerin gesellschaftlich eingebundene Mensch die Hauptrolle. In der Kirche hat man dafür bestenfalls das Wort „Laie“. Es begleitete Leo Karrer sein Leben lang.
Leo Karrer in einem Interview zum Rücktritt von Papst Benedikt XVI. im Februar 2013
Abgewürgter Aufbruch
Der Schweizer Keimling fand in Münster zur Zeit der Würzburger Synode (1971-75) und der Schweizer Synode 72 fruchtbaren Boden. Hier schien die Volk-Gottes-Theologie des Zweiten Vatikanums weiterzuleben, schien der Klerikalismus an sein Ende gekommen („Aufbruch der Christen. Das Ende der klerikalen Kirche“ 1989). Doch die Aufbruchstimmung musste der restaurativen Walze der Kirchenhierarchie nachgeben. Sogar Karrers gutschweizerische Idee der „Tagsatzung“, von uns Jüngeren damals als Reförmchen belächelt, wurde im Bistum Basel raschestmöglich abgewürgt. Denn ein Dialog auf Augenhöhe kam nicht in Frage.
Trotz allem: Leo Karrer hat in dieser ganzen Zeit seine Hoffnung nie verloren. Und ein Kreis von - fast möchte man sagen - Unentwegten teilt diese Hoffnung auf eine Erneuerung der Kirche und ein Aufleben der Synodalität.
Jetzt ist Leo Karrer, der Unermüdliche, gestorben. Aber die Hoffnung ist noch nicht ganz tot.
Ausführliche Würdigungen von Leo Karrer finden sich auf kath.ch, u.a. von
- Norbert Mette, emeritierter Professor für Praktische Theologie der Universität Dortmund.
- Mariano Delgado, Dekan der Theologischen Fakultät Freiburg und Professor für Kirchengeschichte
- Stephanie Klein, Professorin für Pastoraltheologie an der Uni Luzern
- Josef Sayer, ehem. Professor für Pastoraltheologie in Freiburg.
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