Pride-Gottesdienst am Sonntag «Wir sind nicht in Rom, sondern in Zürich»
Wer den Originaltext kennt, wird darüber stolpern. Und das ist auch gut so. «Du bist ein Gott, die mich sieht», so werben katholische und reformierte Kirche für den Gottesdienst zur Züri-Pride am kommenden Sonntag. Dass im Bibeltext die männliche Version Gott angesprochen wird, stört dort sicherlich niemanden.
Schon zum 20. Mal lädt Pfarrer Martin Stewen in seine Kirche St. Peter und Paul in Zürich-Aussersihl zu dieser besonderen ökumenischen Feier anlässlich der Züri-Pride. Eine erwartete Reaktion blieb bislang aber aus, erklärt Stewen: «Noch nie ist ein homosexuelles Paar zu mir gekommen und hat mich um eine Segnungsfeier gebeten – vielleicht dieses Jahr.»
Er würde dieser Bitte ohne zu zögern nachkommen, sagt Stewen. Dass er damit gegen die offiziellen Leitlinien aus Rom verstossen würde, interessiert den katholischen Priester wenig. Er habe sich damit abgefunden, dass aus dem Vatikan Widersprüchliches zum Umgang mit homosexuellen Gläubigen zu vernehmen sei. «Mal geht der Papst einen grossen Schritt nach vorne, dann wieder zwei zurück.»
Nuntius in Deutschland pocht auf Kirchenmeinung
Betonte der Papst selbst noch Anfang Mai, dass Gott auch für homo-, bi- oder transsexuelle Menschen da sei, schlug vergangene Woche der Nuntius in Deutschland ganz andere Töne an. Nicola Eterovic verteidigte in seiner Predigt bei einer Messe zur Heiligtumsfahrt im Aachener Dom die noch offizielle römische Linie.
Es sei nicht gesund sei «den Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen». Die Ehe bleibe nach Auffassung des Vatikan Mann und Frau vorbehalten. Deutliche Worte in Richtung des Aachener Bischofs Helmut Dieser, der sich immer wieder für die Abkehr von der althergebrachten Sexualmoral der katholischen Kirche ausgesprochen hatte.
In Zürich sieht Pfarrer Martin Stewen das gelassen. Ob man in Rom es gutheisst, wenn er einen Pride-Gottesdienst feiert, sei ohnehin nicht entscheidend: «Wir sind nicht in Rom, sondern in Zürich», bekräftigt Stewen mit einer Unaufgeregtheit, die nicht jeder bei diesem Thema in der katholischen Welt an den Tag zu legen pflegt.
Ähnlich gelassen steht es schon im ersten Buch Mose: «Du bist ein Gott, der mich sieht», sagt die Magd Hagar. Sie war es, die Abraham seinen ersten Sohn gebar, nicht dessen Frau Sara – Sexualmoral hin oder her.
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