Stadionkapellen sind die Kathedralen des Sports
Vor rund einer Woche sorgte das Projekt eines möglichen Gebetsraumes im geplanten neuen Zürcher Fussball-Stadion für Schlagzeilen. Die Idee der Kirche dahinter ist bekannt. Was ist aber die Sicht der Fans? Mämä Sykora (42) ist Chefredaktor des Fussballmagazins ZWÖLF und lebt in Zürich.
Wer Parallelen zwischen dem Fussball und der Religion sucht, der braucht nicht lange zu suchen. Beide können sinnstiftende Aufgaben erfüllen, die Rituale auf dem Rasen und in der Kirche ähneln sich durchaus, Fans wie Gläubige pilgern wöchentlich in ihre wichtigsten Stätten, um dort zu hoffen, zu glauben oder zu trauern. Nicht umsonst nennt man die Fussballstadien gerne «Kathedralen des Sports».
Dennoch gibt es zwischen diesen zwei Welten nach wie vor kaum Berührungspunkte. Den Grund dafür sieht der Schweizer Theologe Hans Küng auch darin, dass die Kirche um ihre Vormachtstellung fürchtete. «Der Fussball kann eine ernsthafte Konkurrenz sein zur Religion, er kann Ersatzreligion werden», sagte er einst der FAZ. Erst seitdem die Kirche nicht länger nur in den Gotteshäusern ihre Dienste anbietet, sondern auch dahin geht, wo Menschen sind, findet hier und da ein Aufeinandertreffen mit dem Fussball statt.
Mittlerweile hat man auch in Mitteleuropa erkannt, dass dies in einem Stadion sehr wohl möglich ist.
Die kürzlich offen gelegten Pläne für eine Stadionkirche im Zürcher Hardturmstadion klingen nämlich nur für Schweizer Ohren neu und ungewohnt. In Brasilien etwa, wo der Glaube und der Fussball beide einen grossen Stellenwert besitzen, sind Kapellen in Fussball-Arenen weit verbreitet. Auch vielen Heimstätte portugiesischer Vereine beherbergen eine Kapelle, ebenso das monumentale Camp Nou des FC Barcelona. Letztere ist allerdings den Spielern vorbehalten.
Ruhrpott als Pionier
Erst die Fussball-WM in Deutschland 2006 machte dieses Konzept auch im deutschsprachigen Raum bekannt. In der Arena „Auf Schalke“ in Gelsenkirchen wurde eine Kapelle eingeweiht, ebenso im Berliner Olympiastadion und im neuerbauten Stadion in Frankfurt. Dort werden Andachten gehalten und Zeremonien durchgeführt, Pfarrer stehen als Ansprechpartner Fans und Profis zur Verfügung. Die Nachfrage stellte sich umgehend ein. «Et fluppt», drückt es Schalke Pfarrer Ernst-Martin Barth von der Schalke-Arena im Ruhrpott-Dialekt aus. Jährlich taufen er und sein katholischer Kollege 100 Kinder und trauen 20 Paare.
«Wir treffen in der Kapelle auch diejenigen, die keine Beziehung zu ihren Kirchengemeinden mehr haben», fügt Pfarrer Ernst-Martin Barth an.
Auch wenn die erwähnten Beispiele allesamt ihre Erwartungen mehr als übertroffen haben, lässt sich für die geplante Stadionkirche im Hardturm nur schwer Ähnliches voraussagen. Nur schon, weil die Umsetzung des neuen Zürcher Fussballtempels nach wie vor nicht absehbar ist. Seit über 20 Jahren bestehen Projekte für einen Neubau, ausser dem Abbruch der alten GC-Heimstätte ist noch nichts passiert. Fussballfans witzeln, sie würden zu Lebzeiten eher einen Schweizer Weltmeistertitel denn ein neues Stadion in Zürich erleben.
„Sonderfall“ Zürich
Auch die Ausgangslage unterscheidet sich von den deutschen Vorbildern: Die dortigen Vereine verfügen eine sehr zahlreiche Anhängerschaft, in deren Leben der Fussballklub des Herzens eine wirklich bedeutende Rolle spielt. Eine ähnliche Passion legen hierzulande nur wenige an den Tag. Schwer vorstellbar, dass auch in der Schweiz künftige Ehepartner davon träumen, sich im Stadion vermählen zu können. Hinzu kommt, dass das Zürcher Stadion beiden Stadtklubs, also GC und dem FCZ, als Heimstätte dienen soll, wodurch es den Fans weniger nahe sein wird als etwa das Olympiastadion den Fans von Hertha BSC Berlin.
Sollte es aber tatsächlich klappen mit dem Hardturm und der Stadionkirche, so dürfte sich ein Blick nach Frankfurt lohnen, ehe man sich übersteigerten Erwartungen hingibt.
In Frankfurt war der Andrang anfangs überschaubar, bis der dortige Pfarrer im Talar vor ausverkauften Rängen auf die Andacht hinwies. Es war ein stiller, aber wirkungsvoller Hinweis auf die angebotenen Dienste, die seither gerne genutzt werden.
Die Zürcher Pläne hingegen kündigten bereits proaktive Arbeit mit den Fans an, um das Gewaltproblem anzugehen. So nobel dieser Vorsatz ist, er birgt eben auch Gefahren. Denn genau dafür beschäftigen die Klubs bereits Fanarbeiter mit jahrelanger Erfahrung, die weitherum akzeptiert und respektiert sind.
Es wäre übermessen zu erwarten, dass Vertreter einer Stadionkirche umgehend das gleiche Standing erreichen können. Eine gewisse Skepsis muss erwartet werden. Doch mit Geduld und einer erst einmal abwartenden Herangehensweise kann auch eine Stadionkirche in der Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung leisten.
Auch wenn dafür mal ein Pfarrer im Talar seine Runden auf dem Platz drehen muss.
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