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Markante Persönlichkeit geht in Pension Monika Schmid nimmt den Hut

Nach 37 Jahren Einsatz als Seelsorgerin in der Pfarrei St. Martin in Effretikon geht Monika Schmid Ende August in Pension. Ob sich ihr Einsatz gelohnt hat und was sie bereut, erzählt sie im Interview.
25. August 2022 Katholische Kirche im Kanton Zürich

Bei einer Umfrage auf der Strasse, wer die bekannteste katholische Seelsorgerin in der Schweiz ist, würde der Name Monika Schmid vermutlich rasch fallen. Kein Wunder, denn ihr «Wort zum Sonntag» am 2. Februar 2008 zu Doppelmoral und Vertuschung in der Kirche katapultierte sie ins Schweinwerferlicht der Medien. 

Mit dem Bischof gab es dafür Ärger, vom Beobachter den Prix Courage. Auch sonst nahm sie kein Blatt vor den Mund, redete Klartext und bezog jahrelang in Kolumnen Stellung. 37 Jahre lang engagierte sie sich als Seelsorgerin in der Pfarrei St. Martin in Effretikon. Ende August geht sie in Pension.

Wenn man in diesen Tagen die Zeitung aufschlägt, begegnen einem verschiedene ausführliche Interviews. Arnold Landtwing hat Monika Schmid zum Abschied ein paar Fragen gestellt.

Monika Schmid, es ist doch aussergewöhnlich, dass eine Tageszeitung (Zürcher Oberländer, Aboschranke) zwei Seiten mit einem Interview mit einer Seelsorgerin füllt. Hast du damit gerechnet?

Ich war schon etwas überrascht, dass mir so viel Platz eingeräumt wird. Was mich sehr gefreut hat, ist, dass die Journalistin sich für Seiten von mir interessiert hat, die bisher in den Medien zu kurz gekommen sind: mein Glaube und meine Spiritualität. Oftmals wurde ich nur als Kritikerin des Bischofs wahrgenommen.

Alt Abt Martin Werlen hat einmal gesagt, wenn er nach dem Beispiel einer lebendigen Pfarrei gefragt werde, würde er die Person nach Effretikon schicken. Was macht die Lebendigkeit in Effretikon aus?

Das müssten die Leute selber beurteilen. Ich kann nur sagen, dass ich mit Herzblut, mit meiner Spiritualität in der Pfarrei St. Martin zu Hause bin.

Mir war immer wichtig, dass die Menschen den Geist von Jesus Christus spüren, sei es im Religionsunterricht, in Gesprächen, der Diakonie, beim Elternabend oder in Gottesdiensten.

Wo die Leute spüren, dass diese Botschaft das Leben prägt, füllen sich die Kirchen. Das ist nicht spektakulär, mein Glaube ist ein Alltagsglaube, spirituell geerdet in der Sprache und in den Ritualen.

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Gottesdienst mit Monika Schmid. Foto kath.ch

Welches Rezept hast du dafür?

Keines, nur die Erfahrung, wie wichtig Stille und Verweilen sind. Diese Elemente schaffen eine sehr dichte Atmosphäre, die es nicht nötig hat, ein Gebet ans nächste zu reihen.

Gerade in der heutigen Zeit sehnen sich die Menschen danach, Zeit zu haben, zu verweilen, sich mit ihrer eigenen Spiritualität hineingeben zu können.

Als Seelsorgerin kann ich nur offen sein für die sprudelnde Quelle in mir, (vgl. Johannes 4,14) daraus kann ich schöpfen und so mithelfen, Räume zu öffnen, dass jede und jeder eigene Gotteserfahrungen machen kann. Und es braucht liturgisches Gespür wie auch einen gut gefüllten theologischen Rucksack.

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Monika Schmid mit Pfarreiangehörigen. Foto kath.ch

Angenommen, ein konfessionsloser Mensch kommt zu dir und fragt «Warum sollte ich katholisch werden»? Was antwortest du ihm?

Zuerst sage ich: Das pressiert überhaupt nicht. Und dann: Du bist jederzeit willkommen bei uns in den Gottesdiensten. Anschliessend würde ich mit ihm im Gespräch bleiben. Falls sich der Wunsch verdichtet, würde ich ihn darauf hinweisen, dass die Institution als solche eine schwierige Sache ist - und gleichzeitig auch von der Kraft und der Tiefe der Rituale erzählen und aufzeigen, warum ich auch als kritischer Mensch hier in der katholischen Kirche meinen religiösen Ort finde.

Hand aufs Herz: Hat sich dein Einsatz rückblickend gelohnt?

Mit dem Massstab des Weltlichen beurteilt, hat er sich nicht gelohnt, denn wir stehen in vielen Fragen seit Jahrzehnten immer noch am gleichen Ort. Mit anderem Massstab gemessen hat er sich jedoch sehr gelohnt, denn ich konnte vielen Menschen etwas mitgeben und der Kirche ein Gesicht geben, sodass der eine oder die andere sich gesagt hat: «So lange es solche Leute in der Kirche gibt, bleibe ich auch».

Was bereust du?

(Atmet tief durch) Manchmal bereue ich, dass ich nicht schon viel früher noch mutiger gewesen bin und mich nicht getraut habe, Rituale lebendiger zu gestalten, sodass sie wirklich dem Menschen zugewandt ihn im Leben abholen. Viel zu lange habe ich gemeint, ich müsse mich von formalen Vorgaben leiten lassen.

Irgendwann habe ich gemerkt, dass die Leute schon viel weiter sind und bereit sind, neue Wege zu gehen.

Gehst du als glücklicher Mensch in die Pensionszeit?

Was heisst glücklich? Glück nehmen wir ja oftmals nur als kurzen Moment wahr. Ich gehe zufrieden und erfüllt dem nächsten Lebensabschnitt entgegen. Meine Berufung, meine Talente und Charismen bis hin zur Musik habe ich in Effretikon leben können. Für all das bin ich ausserordentlich dankbar.

Was ist zu kurz gekommen? Auf was freust du dich, dass du endlich Zeit dafür hast?

(Verweilt einen Moment in nachdenklicher Stille) Zu kurz gekommen ist in all den Jahren das Private, ganz persönliche Beziehungen. Diese will ich jetzt pflegen, da habe ich vieles nachzuholen. In der Pfarrei hatte ich so viele Menschen um mich herum, dass freundschaftliche und familiäre Beziehungen teilweise etwas an den Rand geraten sind. Ich freue mich auch darauf, mein Klavierspiel aufzufrischen und etwa den 3. Satz von Beethovens Mondscheinsonate entspannt erklingen zu lassen. Ich freue mich auch auf Reisen, Velotouren und vieles anderes, das ich schon lange erleben wollte.

Angenommen, du könntest wünschen: Welche Persönlichkeit möchtest du treffen und was würdest du ihr sagen?

Am allerliebsten würde ich mit Papst Franziskus telefonieren. Das wäre grossartig.

Ich möchte ihn ermutigen, noch viel mutiger und klarer zu werden, um die Erneuerung der Kirche von innen her voranzubringen.

Vieles deutet er nur an und dann bleibt offen, wo er denn genau steht und was er will.

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Monika Schmid wird von ihrem Nachfolger Felix Hunger gesegnet. Foto kath.ch

Wie geht es ab September weiter?

Abschiednehmen ist anstrengend und fordert auch emotional, ich bin froh, wenn der September da ist. Eine Frau aus der Pfarrei hat mir in einer Karte einen Satz geschrieben, der mich sehr berührt und mich in diesen Tagen des Abschiednehmens begleitet:

«Freue dich am Gelungenen und segne das Schwierige.»

Am Sonntag, 28. August um 10.30 Uhr feiert die Pfarrei St. Martin in Effretikon den Abschiedsgottesdienst von Monika Schmid. Der anschliessende Apéro riche ist ausgebucht, in der Kirche hat es aber auch ohne Anmeldung Platz für alle.