Podium zum Umgang mit Missbrauch Den Druck aufrechterhalten
«Jeder hatte seine Plattform und Darstellung zum Thema Missbrauch in der Kirche», wie Petra Zermin, Synodalrätin bei der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, den Abend zusammenfasste. «Sinn macht so ein Austausch an einem Podium aber nur, wenn jetzt die Erkenntnisse in die weitere Arbeit aufgenommen werden.»
Für eine Kirche ohne Missbrauch
Das entspricht auch dem Wunsch und dem Willen der Interessengemeinschaft für Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld (IG MiKu). Wie es deren Präsidentin Vreni Peterer im Laufe des Abends formulierte: «Wir wollen eine Kirche ohne Missbrauch. Der Kulturwandel ist aber noch nicht angekommen.» Sie habe zwar in direkten Gesprächen auch mit den Bischöfen die ehrliche Ohnmacht zum Thema Missbrauch gespürt. Bei der Umsetzung der Massnahmen hapere es aber noch. Ihre persönliche Motivation, in der Kirche zu bleiben, sei deshalb auch, das Feld nicht denen zu überlassen, die den Wandel nicht wollten, der aber unabdingbar nötig sei. Deshalb sei auch weiterhin der Druck von unten nötig, damit Massnahmen auch umgesetzt werden.
IG MiKu braucht Unterstützung
Peterer bedankte sich für die grosse finanzielle Unterstützung der IG durch die Katholische Kirche im Kanton Zürich für den Auf- und Ausbau einer Geschäftsstelle während der nächsten vier Jahre. Gleichzeitig betonte sie, dass die IG auf ihrer Autonomie und Unabhängigkeit achten werde. Trotzdem seien die Finanzen knapp. Für die Begleitung einer Person, die sich bei der IG meldet, sind aktuell zehn Stunden finanziert. Tatsächlich brauche es in der Regel aber viel mehr Zeit. Die IG MiKu hat sechzig Mitglieder, darunter auch engagierte Personen aus der Kirche. Sie finanziert sich neben dem Beitrag der Kantonalkirche primär aus Einzelspenden.
«Alle Seelsorgenden sollen der IG MiKu beitreten»
Lea Hollenstein
In der Diskussion unter der Leitung von Veronika Jehle, Co-Redaktionsleiterin forum, rief die Dozentin für Organisationsentwicklung Lea Hollenstein Seelsorgende, kirchliche Mitarbeitende und alle, die sich gegen Missbrauch in der Kirche auflehnen möchten, dazu auf, Mitglied der IG werden. «Das wäre ein starkes Signal für die Kirchenoberen.» Veranlasst hat sie dazu die Beobachtung, die sie im Rahmen ihrer Forschung über sexuellen Missbrauch ausserhalb der Kirche gemacht hat. Wandel gab es dort, wo sich viele Menschen mit den Opfern solidarisiert hätten.
Es geht alles zäh voran
Die Erkenntnisse darüber, was im letzten Jahr in der Katholischen Kirche in der Schweiz unternommen wurde, um in Zukunft Missbrauch möglichst zu verhindern, waren alle nicht neu und weltbewegend. Eine Zusammenfassung dazu ist auch nachzulesen in der SKZ. Man kommt langsam voran, es ist durch die Strukturen und den Föderalismus alles sehr zeitaufwändig und geht für viele Menschen unendlich zäh voran, wie auch alle auf dem Podium bestätigen. Bischof Bonnemain war eingeladen, sagte aber ab und entsandte dafür Stefan Loppacher, wie Co-Moderatorin Veronika Bachmann von der Paulus Akademie festhielt.
Loppacher, bisheriger Präventionsbeauftragter im Bistum Chur, ist neu Leiter der nationalen Dienststelle «Missbrauch im kirchlichen Kontext». Er berichtete, dass erste Schritte in der Katholischen Kirche gemacht wurden zu einem besseren Personalwesen. Täter konnten bisher unter anderem auch im System bleiben, weil es keine schriftlichen Dokumentationen gab. Ziel sei es, ein Praxishandbuch zu erstellen für alle Mitarbeitenden im Personalbereich. Die Kirche beginne aber auch nicht komplett neu in diesem Bereich.
«Eine Missbrauchsmeldung zu machen ist ein Gesundheitsrisiko»
Stefan Loppacher
Zu bedenken gibt er auch, was eine Missbrauchsmeldung alles auslöst. Es gelte, die Geschichte neu zu erzählen. Es komme erneut zu einem Kontrollverlust, wenn die Maschinerie in Gang gesetzt werde. Deshalb brauche es eine Opferberatung schon vor der Meldung, ein Auffangnetz, Unterstützung und Beratung. «Das sollten wir bis Ende Jahr wohl hinbekommen», meint er. «Die Kirche tut gut daran, sich der Verantwortung zu stellen.»
«Wir machen die Arbeit, die eigentlich die Kirche machen sollte»
Vreni Peterer
«Genau solche Aussagen sind für uns schwierig, das ‘wohl hinbekommen’», meint Peterer. «Wir brauchen verbindliche Zusagen.» Die Bischöfe hätten sie unter anderem auch gefragt, wie die Kirche das denn hinbekomme mit der Glaubwürdigkeit. Peterers Antwort dazu: «Aufeinander zugehen, miteinander reden, Lösungen finden.»
Erfahrungen aus der Diözese Limburg
Eine ganz andere Perspektive brachte Peter Platen noch in die Runde ein. Er begleitete den Prozess zu einer Transformation und gleichzeitig zu den Massnahmen nach einer ähnlichen Missbrauchs-Studie in der Diözese Limburg in Deutschland. Dort leitet er den Stabsbereich Aufsicht und Recht des Bischöflichen Ordinariats. 64 Massnahmen wurden auf den Weg geschickt, um künftig Missbrauch zu verhindern. Eine Anwältin wurde als aussenstehende Projektbeobachterin engagiert, die auch einen eigenen Bericht vorlegte. Interessant dazu die entsprechende Website des Bistums.
«Kommunikation und Transparenz sind wichtige Faktoren für den Erfolg»
Peter Platen
Das Projekt kostete eine sechsstellige Summe, wie Platen berichtet. «Durch die öffentliche Dokumentation der Meilensteine auf der Website wurde auch der Druck erhöht, dass man sich nicht mehr aus der Sache herauswindet.» So sei die nötige Motivation hochgehalten worden.
«Ich bin im Leben angekommen»
Vreni Peterer
Als Fazit schliesst Vreni Peterer mit der Erkenntnis, dass «sie im Leben angekommen sei». Noch vor einem Jahr hatte sie nie gedacht, dass sie derart präsent in der Öffentlichkeit stehen würde. Mittlerweile hat sie sich in der Rolle gefunden und sieht es als ihre Aufgabe an, den von kirchlichem Missbrauch Betroffenen zu helfen und dafür einzustehen, dass Änderungen in der Kirche nicht nur versprochen, sondern auch umgesetzt werden. «Aber ich stelle auch fest, die Kirche hat Wort gehalten und ich gehe davon aus, dass die Anlaufstelle im 2025 tatsächlich realisiert wird.»
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