Alumnitreffen der Theologischen Hochschule Chur Probleme endlich lösen
Mit Albert Gasser, Kirchenhistoriker, Eva-Maria Faber, Dogmatikerin und Ökumene-Expertin, und dem ehemaligen Generalsekretär der RKZ, Daniel Kosch, sassen in der Aula beim Ehemaligentreffen der Theologischen Hochschule Chur THC kompetente Synoden-Kenner und -kennerinnen am Tisch. Christian Cebulj, Lehrstuhlinhaber für Religionspädagogik, moderierte den Anlass. Ein «Ping-Pong-Dialog» sollte es werden, eben ganz im Sinne von gelebter Synodalität. Die Rechnung ging auf.
Folge des Jubiläums 2018
Als 2018 das fünfzigjährige Bestehen der THC mit 120 Teilnehmenden gefeiert wurde, kam die Idee zu einem regelmässigen Ehemaligentreffen auf. Ende Mai fand das damals ankündigte erste Alumni-Treffen unter dem Motto: «Synodalität – ein Ausweg aus der Kirchenkrise?» statt. In den Räumen der Hochschule, trafen sich rund dreissig Ehemalige, mindestens die Hälfte davon nahe dem Pensionsalter oder drüber, Männer und Frauen, welche die Kirche vor Ort mit Herzblut und Einsatz geprägt haben – und noch immer prägen.
Kirchlichkeit in den 70er-Jahren
Albert Gasser liess anfänglich die Zeit des 2. Vatikanums ab 1962 und der nachfolgenden Synode 72 in Chur wortmächtig auferstehen und erinnerte daran, wie die Kirche damals noch «in der Mitte der Gesellschaft lebte». Wenige Jahre danach kam bereits die Katerstimmung. «Dennoch» sagt er rückblickend, «gab es nie so viel diskutierte Kirchlichkeit wie während und nach dem Konzil». Selbst die NZZ begann, nach seinen Angaben erstmals, nicht nur polemisch über die Katholische Kirche zu berichten, sondern sich inhaltlich mit ihr auseinanderzusetzen. So wurde ein positives kirchliches Stimmungsbild einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Daniel Kosch konnte an diese Erzählungen direkt ab 1972 anschliessen. Er sei damals 14 Jahre alt gewesen und in diesem kirchlichen Diskurs sozialisiert worden. Es wäre normal gewesen, über alles zu debattieren, Ausflüge zu machen und den Glauben zu erleben. Ab 1978 sei er dann selbst in St. Luzi im integrierten Seminar gewesen. Frauen wie Männer hätten hier damals gemeinsam studiert, gewohnt und debattiert. Unter Papst Johannes Paul II. lebte der Klerikalismus allerdings neu auf, was sich auch in St. Luzi bemerkbar machte.
Entscheide brauchen Zeit
Dass Papst Franziskus gleichzeitig die Synodalität als Miteinander des gesamten Volkes Gottes stärkt und den Klerikalismus kritisiert, ist daher kein Zufall. Zur Konkretisierung des synodalen Vorgehens reicht es allerdings nicht, Versammlungen einzuberufen und Stichworte zu notwendigen Reformen zu sammeln und zu bepunkten. «Synodalität kann nicht bedeuten, 300 Personen für zwei Stunden an einen Tisch zu setzen. Synodales Beraten und Entscheiden braucht Zeit, aber auch Regeln und klar definierte Themen», sagt Kosch. Für manche Fragen sorge das duale System für ein geregeltes und in gewissem Sinn synodales Miteinander von pastoral Verantwortlichen und Laien.
Synodalität weckt Hoffnungen
Eva-Maria Faber nahm den Faden auf. Zwei grosse Anliegen des Zweiten Vatikanums kämen heute zusammen: Synodalität und Kollegialität und dieser Umbau wecke Hoffnungen. Zugleich erweise sich die Bindung an frühere Festlegungen als problematisch. «Wie verhält sich die Absicht, dass Entscheidungen heute erst nach Zuhören und Unterscheidungsprozessen getroffen werden sollen, zur Bindung an frühere Aussagen, die nicht in dieser Weise synodal getroffen wurden?» so Faber.
Christian Cebulj hakt in Richtung Podium nach, ob jetzt vielleicht nicht der passende «Kairos», die gute Gelegenheit wäre. Gasser reagierte darauf: «Für den Kairos ist man selbst verantwortlich, den kann man ja auch heraufbeschwören!» Ihm ginge es heute fast zu harmoniesüchtig zu und her: «Am Konzil von Trient hätte man sich noch geschlagen, es gab Verletzte. Beim 1. Vatikanum habe es lautstarke Disputationen gegeben, auch wegen der fehlenden Mikrofone. «Seit dem 2. Vatikanum fehlt nun aber ein wenig der Sprit.»
Ergänzend dazu stellt Faber fest, dass eine thematische Kirchenzentrierung stattfinde, die auch zu Kirchenmüdigkeit führen würde. Die Menschen hätten doch ganz andere Sorgen rund um Familie und Arbeit.
«Die Leute haben einfach keine Lust mehr, für kirchliche Probleme stellvertretend Lösungen zu suchen, die sie dann doch nicht umsetzen können»
Eva-Maria Faber
Bestätigend dazu meinte einer der Zuhörer: «Die Menschen sind nicht nur kirchenmüde, sondern auch sitzungsmüde.» Nach einer guten Stunde, als sich gerade alle warm diskutiert haben, läutete Cebulj die Schluss-Statements ein: Ist die Synodalität nun ein Ausweg aus der Kirchenkrise?
Gasser verweist auf das Wesen der Kirche, das immer schon synodal gewesen sei. Die katholische Kirche stehe anderen christlichen Kirchen gegenüber diesbezüglich gar nicht einmal so schlecht dar, gibt er zu bedenken. Sie sei insgesamt synodaler als ihr Ruf.
Er lenkt auf das aus seiner Sicht eigentliche Thema hinter der Krise. Es handle sich auch um eine Gotteskrise. Es gäbe dazu viel unbeantwortete Sehnsucht dazu in der Gesellschaft, «doch die Art Sprache, die wir verwenden, trifft nicht mehr». Dafür brauche es glaubwürdige Kirchenvertreter.
Faber thematisiert die Glaubwürdigkeitskrise. «Wenn der Vatikan ein Dokument über Menschenrechte herausgibt, während die Menschenrechts-Charta von der Kirche nicht ratifiziert wird, könne sie im Moment einfach nicht glaubwürdig sein», so Faber.
Kosch spricht als Letzter an diesem Podium: Die Gottesfrage würde auch ihn herumtreiben. Sie wäre aber kein Thema, das in synodalen Prozessen direkt angegangen werden könne. Die Aufgabe der Kirche wäre es aktuell viel eher, Räume aufzutun, in denen sich Menschen mit ihrer Sehnsucht, aber auch mit ihren Fragen aufgehoben fühlen. Mit Verweis auf die Wichtigkeit der Gottesfrage die Kirchenfragen zurückzustellen, hält Kosch für problematisch.
«Irgendwann müssen Probleme gelöst und nicht mehr debattiert werden»
Daniel Kosch
Noch gebe es in der Schweiz über 2,5 Millionen Katholikinnen und Katholiken. Wenn wir so weiter machen würden, verlören wir aber jedes Jahr eine Mitgliederzahl in der Höhe der katholischen Wohnbevölkerung eines kleineren Kantons. «Da bleibt dann irgendwann nicht mehr viel übrig», so sein Resümee.
Leider würden die Bischöfe in dieser Richtung zu wenig initiativ, meint Kosch. Eine Kirche, die jährlich eine Milliarde Kirchensteuern und Staatsbeiträge einnimmt, müsste diesbezüglich kompetenter sein und könnte sich besser beraten lassen, zeigt er sich überzeugt.
Sabine Zgraggen
Leiterin Dienststelle Spital- und Klinikseelsorge
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